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Rückzug: Protest und Dilemma

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Nach den Beschlüssen des Zehnten Parteitages der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei soll die sozio-ökonomische Entwicklung Polens vor allem durch eine bessere Nutzung des wissenschaftlich-technischen Fortschritts und durch ein rationelleres Wirtschaften „beschleunigt“ werden. Die Arbeit soll besser organisiert, produktiver und mittels moderner Technologien auch leichter werden. Auf dem Agrarsektor erwartet sich die Partei, daß bis 1990 hinreichend Nahrungsgüter produziert werden.

Was steht dieser Erwartungshaltung entgegen? Experten verweisen auf eine sehr gefährliche ökologische Lage; es sei nicht abzusehen, wann man sie in den Griff bekommen werde. Bis zu 70 Prozent ist der Maschinenpark Polens abgenützt. Wirtschaftliche Sanktionen des Westens haben dazu geführt, daß es keine Ersatzteile mehr gibt. Die guten Beziehungen zum Westen — unabdingbar für einen wirtschaftlichen Aufschwung Polens — stagnieren seit langem.

Als dringende Notwendigkeit wird die Forderung bewertet, finanzielle Mittel nicht auf die Schwerindustrie, sondern auf die Marktwirtschaft zu konzentrieren.

Der Lebensstandard ist sehr niedrig, die Inflation hoch, die Auslandsverschuldung wächst im Jahr um eineinhalb Milliarden Dollar!

Dazu kommt der Rückzug der Polen aus der Öffentlichkeit. Der polnische Publizist Janusz Reiter hat dieser Tage in Zürich auf das „Dilemma“ seiner Landsleute aufmerksam gemacht: Wieweit kann und soll der Pole heute an der Entwicklung seiner Gesellschaft mitarbeiten? Genügt als Protest gegen ein politisches System der bewußte Rückzug in eine zivile Gesellschaft? Wer soll in Polen noch mit wem sprechen?

Der „Dialog“ in Polen war bisher stark von ideologischen Ressentiments geprägt. Klingende Namen von Humanisten, Intellektuellen und Kirchenvertretern waren Symbol für mehr oder weniger starke gesellschaftliche Kräfte.

Kann eine ideologisch verworrene Situation überhaupt geklärt werden? Hat ein Dialog, der sich Sachfragen, Wirtschaftsfragen zuwendet, mehr Chancen als das Gespräch weltanschaulicher Gegner?

Diese Fragen sind noch weit von der polnischen Realität entfernt! Denn die Regierung beharrt auf dem Standpunkt, selbst festzulegen, mit wem man reden will.

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