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Umweltschutz made in USA
Die Regierung Bush hat bisher erfolgreich ökologische Maßnahmen verhindert, denn Umweltschutz wird von der Wirtschaftslobby immer noch als Wettbewerbshindernis gesehen.
Die Regierung Bush hat bisher erfolgreich ökologische Maßnahmen verhindert, denn Umweltschutz wird von der Wirtschaftslobby immer noch als Wettbewerbshindernis gesehen.
Präsident George Bush nennt das Luftreinhaltungsgesetz von November 1990 seinen größten und wichtigsten innenpolitischen Erfolg: Durch dieses Gesetz werden, so der Präsident kürzlich, „die Giftgas- und Schwefeldioxidemissionen halbiert, die gefährliche Luftverschmutzung und der Smog in unseren Städten in ganz Amerika auf ein Minimum reduziert." Der „Umwelt-Präsident" verschweigt aber, daß nach 20 Monaten das Gesetz auf dem Verordnungsweg völlig ausgehöhlt und damit für den Umweltschutz in den USA wertlos wurde.
Die Regierung Bush hat bisher erfolgreich verhindert, die Smog- und Giftgaskontrollen in städtischen Ballungsräumen zu verschärfen oder die Emissionswerte von Abfallverbrennungsanlagen und Verbrennungsmotoren zu beschränken. George Bush hat sich gegen neue Reinheits werte in Benzin verwendet, obwohl ein kalifornischer Benzinhersteller einen speziell gereinigten Treibstoff auf den Markt bringen will. In Texas versprach der Präsident, die Kontrolle für Stickoxide in kalorischen Kraftwerken auszusetzen; in Michigan sagte er den Vorständen der drei großen US-Autohersteller - General Motors, Ford und Chrysler - zu, keine weiteren Abgas- und Verbrauchsnormierungen vorzuschreiben. Zusätzlich sind seit Anfang Februar alle bestehenden Umweltschutzauflagen für 180 Tage durch ein Dekret des Präsidenten vorübergehend außer Kraft gesetzt worden, um die Konjunktur der US-Wirtschaft zu beleben.
Keine Hausmüll-Trennung
Vizepräsident Dan Quayle hat im Kongreß erfolgreich gegen ein Gesetz gearbeitet, das Recycling von Zeitungspapier geregelt hätte. Trotz verschiedener lokaler Bemühungen findet in den amerikanischen Großstädten keine effiziente Trennung des Hausmülls statt; die Millionenstadt New York hat erst in den letzten Tagen - durch ein Gesetz dazu gezwungen— damit aufgehört, große Teile ihres Abfalls ganz einfach weit vor der Küste in den Atlantik zu kippen. Und schließlich scheute der Präsident nicht davor zurück, 20 Millionen Hektar geschütztes Küstenland per Verordnung zur Bebauung freizugeben.
Hinter dieser leisen Strategie der Aushöhlung der Umweltgesetze steht in erster Linie Vizepräsident Dan Quayle, der eine „Kommission zur Förderung der Wettbewerbsfähigkeit", bestehend aus einflußreichen Industriekapitänen, um sich versammelt hat. Quayles jüngster Erfolg hinter verschlossenen Türen war eine Verordnung der Umweltbehörde (das US-Pendant zu europäischen Umweltministerien), die es den chemischen Industriebetrieben ermöglicht, ohne jegliche Genehmigung durch staatliche Behörden oder Bekanntgabe gegenüber der Öffentlichkeit, den Ausstoß von Giftgasen jeweils um 250 Tonnen pro Jahr zu erhöhen! Die Vereinigung der Chemieindustrie begrüßt diese Maßnahme, da es nunmehrmöglich sei, veränderte Produktionsverfahren ohne Rücksicht auf Umweltauflagen und die damit verbundenen Kosten umgehend durchzuführen.
Wettbewerb behindert
Dan Quayle setzt sich mit seiner bei konservativen Wählerkreisen auf große Zustimmung stoßenden Überzeugung, Umweltschutzauflagen verhindern die internationale Wettbewerbsfähigkeit der US-Wirtschaft und seien lediglich die geänderte Form eines („sozialistischen"!) Umverteilungskampfes, innerhalb der Regierung - besonders gegenüber der Umweltbehörde - erfolgreich durch. Und Präsident Bush ist bei allen Maßnahmen, die zu einer kurzfristigen Gefährdung von Arbeitsplätzen führen könnten, äußerst zurückhaltend: Im Interesse einiger tausend Holzarbeiter unterschrieb er vor einigen Wochen eine umstrittene Verordnung, die große Teile des bisher geschützten Staatsforstes im Bundesstaat Oregon dem Kahlschlag öffnete; ohne dafür Sorge zu tragen, daß die Wälder durch Wiederaufforstungen „bewirtschaftet" werden.
Die amerikanische Industrieproduktion entkommt damit, erfolgreich geschützt von der Regierung, nicht nur den Umweltauflagen; durch eine gegenüber den Arbeitnehmern restriktive Lohnpolitik sind auch die durchschnittlichen Einkommen der Beschäftigten in der Industrie wesentlich gesenkt worden. Und wo sich im Sinne der Gewinnsteigerung eine Gelegenheit ergibt, werden ganze Produktionsbereiche in das Billiglohnland Mexiko abgesiedelt. Die mexikanische Regierung hat sich gegenüber den US-Firmen innerhalb einer festgelegten Zone an der Grenze zur USA verpflichtet, keine Umweltschutzauflagen zu verhängen.
Die europäischen Handelspartner der USA und Konsumenten von US-Waren sollten daher sehr schnell beginnen - letztlich auch im Interesse der eigenen Wettbewerbsfähigkeit -, amerikanische Produkte sehr genau auf ihr „umweit- und lohnverträgliches" Zustandekommen anzuschauen. Denn der von den USA propagierte „freieWelthandel" kann wohl nicht bedeuten, daß (billige) US-Produkte, die nachweislich die Umwelt gefährden, den europäischen Markt bestimmen, wenn gleichzeitig europäische Erzeuger dazu übergehen, umweltfreundliche Produktionsmethoden zu beginnen.
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