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Und wieder: Peronismus

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Der Peronismus ist oft totgesagt worden. Zum ersten Male übrigens 1945 als Prognose an seiner Wiege durch den Altösterreicher Karl W. Deutsch. Damals verfaßte der junge Sozialwissenschaftler für die US-Außenpolitik ein Gutachten über Juan Domingo Peron und dessen nationalistische Bewegung. Das Gutachten sagte ihr ein rasches Ende voraus.

Vierzig Jahre später ist der Peronismus immer noch die stärkste politische Kraft Argentiniens, die nach gewonnenen Teilwahlen zum Kongreß jetzt auf die Präsidentschaft 1989 setzt. Ihr wichtigster Sprecher ist derzeit Antonio Cafiero, nachdem er zum Gouverneur der Provinz Buenos Aires gewählt worden ist. Der Peronismus (offiziell: Movimiento Justi-cialistica — Gerechtigkeitsbewegung) ist jedoch auch heute noch keine Partei, sondern eben ein „movimiento“, eine Bewegung: nationalistisch, antiimperialistisch, heute auch Dritte-Welt-orientiert, antibürgerlich; vom Stil her an den italienischen Faschismus erinnernd, aber nie eine Imitation der Vorlage, sondern im argentinischen Syndikalismus verankert; dessen vielfältige gewerkschaftlichen Bewegungen verlangten und verlangen nach starken Führerpersönlichkeiten.

In der ersten Phase des Peronismus, 1945 bis 1955, dominierten sein Begründer Juan Peron und dessen zweite Frau, die charismatische Eva Duarte. „Evita“, aus kleinsten Provinzverhältnissen stammend, vertrat eindeutig die klassenkämpferische Position. Nach ihrem Tod verfiel Peron der überheblichen Korruption. 1955 stürzten ihn seine Konflikte mit der katholischen Kirche und der Armee.

Während der Zeit der Militärregierungen der späten sechziger und siebziger Jähre erlebte der Peronismus, bereichert um Linkskatholiken, Trotzkisten und Intellektuelle, eine verblüffende Metamorphose, die 1973 zur umjubelten Rückkehr des alten Peron aus seinem spanischen Exil führte. Aber Peron starb 1974, ohne die Bewegung mit seiner Stellungnahme gegen den linken Flügel konsolidiert zu haben. So versank die Bewegung nach seinem Tod in einen mörderischen Bruderzwist, der Argentinien unter Isabel, Pe-rons dritter Frau, beinahe ruiniert hätte.

Als „Isabelita“, die mit einem obskurantistischen Clan regierte,1976 vom Militär gestürzt wurde, atmete das ganze Land auf. Freilich ahnte damals noch niemand, daß die ersten Scharmützel der Offiziere mit den in den Untergrund gegangenen Linksperoni-sten (Montoneros) nur der Anfang des „schmutzigen Krieges“ gegen die Subversion sein würden.

Trotz des widersprüchlichen Erbes, trotz und wegen des „schmutzigen Krieges“ regenerierte sich der Peronismus in den mittleren achtziger Jahren. Zwar bleibt er eine aus vielen Elementen zusammengesetzte Bewegung, aber er erneuert seinen Führungsanspruch in Argentinien.

Die jüngsten Wahlsiege zeigen, daß die ideologischen und organisatorischen Häutungen gelungen sind. Federführend dabei sind die „Renovadores“, die aus der Bewegung eine moderne Partei schweißen wollen. Ihr profiliertester Kopf ist Antonio Cafiero, der sein erstes Ziel - Gouverneur der Provinz Buenos Aires—jetzt erreicht hat. Sicherlich wird er 1989, bei der Präsidentschaftswahl, der Herausforderer der Regierungspartei sein.

Cafiero opponiert gegen die „Ortodoxos“, die alten Parteibosse, die wie Peron die Bewegung von oben nach unten straff kommandieren. Einer dieser „Vertica-listas“ ist der Führer der Metallgewerkschaft und Chef des „62“-Flügels, Lorenzo Miguel.

Aber nicht alle Gewerkschafter tendieren zu den Orthodoxen. Die •Fraktion der „25“ um Saul Ubaldini, dem eher blassen Generalsekretär der CGT-Dachgewerk-schaft, beispielsweise, hält Kontakt zu den „Renovadores“.

Auf der linken Seite fächert der Peronismus zu den „Revolutionären Peronisten“ und den Trotzkisten auf. So wollte sich Mario Firmenich, in den siebziger Jahren ein gefürchteter Montonero-Ter-rorchef, inzwischen in Haft, von der Gefängniszelle aus als Kandidat der Peronisten aufstellen lassen-was seine Gesinnungsgenossen denn doch nicht akzeptierten.

Auch unterhält der Peronismus — vor allem in den Provinzen — flexible Zweckbündnisse mit Christdemokraten und Linkskatholiken.

Was die hundertfach zersplitterte Bewegung eint, ist die Gewißheit, insgesamt die wichtigste Kraft im Lande zu sein. Ein Wissen, das durch die jüngsten Wahlsiege peronistischer Kandidaten eindrucksvoll bestätigt worden ist.

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