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Zur Vorgeschichte

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Der untenstehende Beitrag unseres argentinischen Mitarbeiters ist noch vor Aufbruch der Rebellion geschrieben worden. Er ist trotzdem in allem gültig und erhellt schlaglichtartig die Hintergründe der letzten Vorgänge. Die „Furche“

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Der untenstehende Beitrag unseres argentinischen Mitarbeiters ist noch vor Aufbruch der Rebellion geschrieben worden. Er ist trotzdem in allem gültig und erhellt schlaglichtartig die Hintergründe der letzten Vorgänge. Die „Furche“

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Buenos Aires, 8. Juni Den neuesten antikirchlichen Kurs des Peronismus kommunistischem Einfluß zuzuschreiben, mag zwar paradox erscheinen, wenn man die letzte Wahlstatistik berücksichtigt, laut der die Kommunisten im April 1954 — also vor einem Jahr — von insgesamt 7,5 Millionen Stimmen nur rund 100.000 erhielten. Auch wenn man wahltechnischen Experten folgt, die die Stärke der Kommunisten unter Hinzuziehung der kommunistisch gesinnten Ausländer, die kein Wahlrecht haben, mit insgesamt 300.000 angeben, so erscheint auch diese Zahl belanglos.

Der argentinische Kommunismus geht aber seit 1943, als seine Anstrengungen zur Bildung einer „Volksfront“ unter der Regierung Ramön Castillos durch das Eingreifen der Militärs vereitelt wurden, seine eigenen Wege. Die offizielle Partei, die weiterhin legal existiert und unter Führung des ehemaligen Tscheka-Agenten und späteren politischen Kommissars im spanischen Bürgerkrieg, des in Argentinien naturalisierten Italieners Victorio Codovilla, steht, hat sich hauptsächlich auf geheime Tätigkeit umgestellt. Da die KP-Führer bei den Wahlen im Jahre 1946, aus denen der damalige Oberst Perön als Sieger hervorging, den taktischen Fehler begangen hatte, mit der oppositionellen „Union Dcmocrätica“, einem bürgerlichen Sammelsurium aller Gegner Peröns, gemeinsame Sache zu machen, um die gescheiterte Volksfront wiederzubeleben, versuchten sie in aller Eile Fehler und Niederlage auszuwetzen. Eine Gruppe der KP, unter der nominellen Führung von „militanten kommunistischen Arbeitern“ mit dem Eisenbahnergewerkschafter Aurclio Bracco an der Spitze, bildete die „Kommunistische Arbeiterbewegung“ („Movimicnto Obrero Comunista“). Ohne auf die kommunistische Ideologie zu verzichten, huldigt dieser „Movimiento Obrero Comunista“ der Politik Peröns. Im Organ dieser Bewegung. „Gase Obrera“ („Die Arbeiterklasse“), in der Nummer vom Dezember 1954, schrieb einer ihrer Führer, der ehemalige Gebietssekretär der kommunistischen Jugendbewegung, Dr. Aduardo B. Astesano:

„Als Kommunisten sehen wir in der gegenwärtigen Etappe der nationalen Revolution (sc. des Peronismus) nur einen Schritt, der durch die Konzentration der politischen und wirtschaftlichen Kräfte zur Befreiung des Landes vom Imperialismus gekennzeichnet ist. Jedoch unsere absolute Identifizierung mit der rechtstaatlichen (sc. perönisti-schen) Doktrin, die diese Etappe kennzeichnet, bedeutet keineswegs einen Verzicht auf die zukünftigen Etappen des Sozialismus und des Kommunismus im Lande. Als Marxisten haben wir unser Programm für die gegenwärtige Etappe (welches Programm hundertprozentig mit der Nationaldoktrin identisch ist) sowie ein weite-resProgrammfürdieZukunft. Dies sind zwei Teile ein und desselben politischen Plaues, zwei organische Bestandteile ein und desselben unabhängigen revolutionären Gedankens.“

In seinem Buch: „Essays über den Justitialis-mus (== Peronismus) im Lichte des historischen Materialismus“ (Rosario, 1953) schreibt er:

„Der Justitialismus ist eine Nationaldoktrin, die wir Marxisten als Minimalprogramm in der gegenwärtigen Etappe auf dem Weg zur Befreiung akzeptieren, ohne auf unser Maximalprogramm, die Zukunftsetappc des Sozialismus, zu verzichten.“

Propagandistisch sehr rege ist eine Gruppe von Trotzkysten, geschart um den Verlag „Editorial Indoamerica“ unter der Führung von Jorge Abelardo Ramös, ohne jedoch nach außen hin eine Organisation 2U bilden. Dieser Verlag gibt Werke von Trotzky. Rosa Luxemburg, Manuel Ugarte, A. Leon u. a. heraus.

Von diesen drei kommunistischen Gruppen geht eine intensive Infiltration der perönistischen Bewegung aus. Ihre zersetzende Arbeit ist im gesamten öffentlichen Leben fühlbar. Hier einige Beispiele dieser kommunistischen Infiltration:

Der Rektor der vom Pressesyndikat ins Leben gerufenen „Journalistenschule Redakteur Perön“ ist der führende Trotzkyst, zugleich Redaktor der „Critica“, Jose Gabriel Lopez, der auch ständiger Mitarbeiter des dem Innenminister Borlenghi nahestehenden Organs „El Laborista ist. Beide Blätter - „Critica“ und „El Laborista“ sind heute führend in der Hetze gegen die Kirche.

Unter dem kommunistischen „Friedensmanifest“ von 1949 findet man die Unterschrift eines gewissen Cesar Tiempo. Es ist dies der Deckname des in Ekaterinoslaw (Dnjepro-petrowsk) geborenen Israel Zeitling Porter, der seine journalistische Laufbahn in der „Critica“ begonnen hatte, zur sozialistischen „La Van-guardia“ hinüberwechselte und schließlich in der größten Zeitung „La Prensa“ landete. Nach der 1951 erfolgten Enteignung dieser Zeitung und ihrer Uebernahme durch den perönistischen Allgemeinen Arbeiterverband redigiert Cesar Tiempo, alias Israel Zeitling Porter, die Sonntagsbeilage, in der laufend Beiträge marxistischer Schriftsteller und Publizisten, wie z. B. Juan Unamuno, Pablo Neruda (Stalinpreisträger) u. a. zu finden sind.

Dies sind einige Fälle aus der Presse.

Der Peronismus, entstanden als eine Bewegung der Mitte, neigte in den Jahren 1946 bis 194S zur Rechten. Die in diesem Zeitraum in die perönistische Bewegung eingssickerten kommunistischen Elemente konnten jedoch Fuß fassen, und es gelang ihnen, das Ruder der Bewegung nach links umzuwerfen. Die allgemeine politische und wirtschaftliche Lage beschleunigte diesen Umschwung. In der grundsätzlichen Ablehnung des wirtschaftlichen Einflusses der USA. des in Lateinamerika verpönten „Yanki-Imperialismus“. und auf der Suche nach Verbündeten verfiel das perönistische Regime auf die Sirenengesänge aus den Zelten des Kommunismus. Obwohl Perön persönlich Antikommunist ist und so manche kommunistischen Führer noch heute hinter Schloß und Riegel hält, liebäugeln viele Regierungs- und Parteifunktionäre mit dem Geschäft, das aus dem Warenaustausch mit den kommunistischen Ländern winkt.

Die Mehrheit der Anhänger des Peronismus war und ist heute noch antikommunistisch gesinnt. Doch wurde sich die Führung der Bewegung der Gefahr der kommunistischen Infiltration nie recht bewußt. So mancher gute Perönist meinte im Anfang, man sei zu Konzessionen gezwungen, um Zeit zu gewinnen, um zunächst die Partei und den Allgemeinen Gewerkschaftsbund zu konsolidieren. Die Zeit arbeitete aber nicht für den Peronismus, sondern für die Kommunisten. Der neueste antikirchliche Kurs des Regimes beweist, daß die kommunistischen Elemente in den „Organisationen des Volkes“ volle Arbeit geleistet haben. Der Peronismus hat den frontalen Angriff gegen den Kommunismus gemieden. Heute steht er aber, trotz aller Verschönerungsund Beschwichtigungsversuche seiner Propaganda, daß es lediglich um die Bekämpfung „schlechter Pfaffen“ gehe, in einem frontalen Angriff gegen die Kirche. Der national denkende, religiös gesinnte und der Kirche verbundene Argentinier, und das ist die Mehrheit der perönistischen Bewegung, sieht heute mit Sorge der Zukunft des Landes entgegen.

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