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Wissenschaft verlangt ein ethisches Gespür

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25 Nobelpreisträger lud ..NovaSpes", eine von Kardinal König gegründete Vereinigung, zu einem Gespräch nach Rom ein. Das Thema:,,Der Mensch zwischen Hoffnungen und Bedrohungen". Zwölf Nobelpreisträger - fünf Juden, drei Protestanten, zwei Katholiken und zwei Atheisten - kamen.

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25 Nobelpreisträger lud ..NovaSpes", eine von Kardinal König gegründete Vereinigung, zu einem Gespräch nach Rom ein. Das Thema:,,Der Mensch zwischen Hoffnungen und Bedrohungen". Zwölf Nobelpreisträger - fünf Juden, drei Protestanten, zwei Katholiken und zwei Atheisten - kamen.

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Sei t dem 12. Jahrhundert trat an die Seite der aus Tradition und Offenba­rung kommenden Wahrheitsfindung eine profane Rationalität. Diese drängte zunehmend auf Eigenständig­keit und wehrte sich gegen Eingriffe kirchlicher Instanzen in den Prozeß wissenschaftlicher Erkenntnisfort­schritte. Sie stellte auch da und dort Auffassungen in Frage, die nur schein­bar zum unantastbaren Offenbarungs­gut gehören.

„Das Problem des Wissenschafters heute stellt sich vor allem als Frage der Ethik“, erklärte Don Pace, ein Führen­des Mitglied von Nova Spes. In der Tat sieht das Verhältnis von Wissenschaft und Glaube heute anders aus.

Alle Wissenschaften, die Naturwis­senschaft wie die Human- und Sozial­wissenschaften, aber auch die Kultur­wissenschaften und nicht zuletzt die Philosophie und die Theologie, wollen immer mehr über das Geheimnis der Welt und des Menschen wissen:

Wer ist der Mensch? Welche Stel­lung nimmt er innerhalb der Gesamt­welt ein? Wo liegen die Chancen seiner Entfaltung? Wo liegen die Gefahren ei­ner Degeneration, ja sogar seiner Selbstzerstörung?

Sicher bereichert die unübersehbare Fülle an Erkenntnissen das menschli­che Leben, zugleich bedroht sie es aber auch. Darüber hinaus erschwert sie in zunehmendem Maß eine Zusammen­schau der Teilergebnisse zu einem wer­tenden Gesamtbild des Menschen im Kosmos. Daraus entsteht die wider­sprüchliche Situation, daß ausgerech­net zu einem Zeitpunkt, an dem die Wissenschaft ihre größten Triumphe feiert, sie in die schwerste Krise ihrer Verantwortung gerät.

Das Ende des „Szientismus“ ist an­gebrochen, d.h. einer optimistischen Wissenschaftsauffassung, der zufolge die Einzelwissenschaften, namentlich die Naturwissenschaften, imstande wä­ren, mit ihren Methoden selbst die tief­sten Probleme zu lösen und durch eine „wissenschaftliche Weltanschauung“.

Metaphysik und Religion entbehrlich zu machen.

Heute zeigt sich immer deutlicher, daß die Einzelwissenschaften dazu nicht imstande sind und daß ihre Er­kenntnisse für den Menschen in einem Maß gefährlich werden können, wel­ches unter Umständen die Forderung nach einer Selbstbeschneidung der Wissenschaft verlangt, will die Wissen­schaft ihrem Prinzip treu bleiben, dem Menschen zu dienen.

Es stellt sich die Frage einer Ethik des Umgangs mit Erkenntnis, schließ­lich die Frage nach der Legitimation der Wissenschaft selbst. Hieraus ent­steht die heute vielzitierte „Legitimati­onskrise in der Wissenschaft“ als Teil einer Orientierungskrise unserer ge­samten wissenschaftlichen Kultur über­haupt.

Ein neuer Typ von Wissenschaftlern ist die Folge. Er hat erkannt, daß die Einzelwissenschaften mit ihren spezifi­schen Methoden Ergebnisse nur in ei­ner bestimmten Richtung liefern kön­nen und aus diesem Grund immer parti­kulär bleiben.

Er hat erkannt, daß eine immer wei­ter vorangetriebene Teilforschung zu

Ergebnissen führen kann, die der Menschheit unter bestimmten Bedin­gungen schwerste Schäden zufügen und somit in Widerspruch zur Grundma­xime geraten, wonach die Wissenschaft dem Menschen zu dienen habe.

Dieser neue Typ von Wissenschaft­lern hat erkannt, daß eine Klärung die­ser bestimmten Bedingungen in den Be­reich der Ethik fällt. Der Umgang mit Erkenntnissen der Atomforschung oder der Humangenetik zum Beispiel wird durch die Forschung selbst nur in begrenztem Maß bestimmt. Die Ver­wendung im Bereich der menschlichen Gesellschaft ist indes eine Frage, die die Ethik zu beantworten hat.

Der Slogan „Der Mensch darf nicht alles, was er kann“ verweist den Wis­

senschaftler auf die Ethik, die Ethik auf die Anthropologie, die Anthropologie auf die Theologie.

„Wir sind der modernen Wissen­schaft für vieles zu Dank verpflichtet“, erklärte Kardinal König, der Gründer der Vereinigung Nova Spes, zum Ab­schluß dieser interdisziplinären Ge­spräche, die in Rom vom 21. bis 22. De­zember stattfanden. In der Schlußer­klärung der Gesprächsteilnehmer heißt es u. a.:

„Wir Nobelpreisträger teilen das große Ideal von Alfred Nobel, wonach die Wissenschaft zum Wohl der Menschheit ausgeübt werden soll. Die Wissenschaft hat mit ihren Entdeckung gen den Menschen große Wohltaten er­wiesen und wir hoffen, daß sie in dieser Weise fortfahren werde. Die wissen­schaftliche Erkenntnis wurde bisweilen auch für nicht wünschenswerte Ziele eingesetzt, zum Beispiel für den Krieg, doch selbst die segensreichen Anwen­dungen können ungewollt nicht er­wünschte sekundäre Folgen zeitigen.“

Und: „Die Kirchen können erwiese­nermaßen eine positive Rolle in dem Bemühen spielen, dieses Ziel zu errei­chen, und in besonderer Weise erken­nen wir an, daß die katholische Kirche eine einmalige Stellung hat, morali­scher Wegweiser auf Weltebene zu sein ...“

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