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BARRY GOLDWATER / WARENHAUS UND POLITIK

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Vieles wurde seit der Ermordung Präsident Kennedys über die Europäern so schwer verständliche Politik in den amerikanischen Südstaaten geschrieben. Herrschen im Süden die Rechtsextremisten? Welche Rechtsextremisten? Oder sind dort Kräfte am Ruder, die nur durch eine energische Kursänderung das Vaterland vor einer Katastrophe bewahren könnten? Seltsames Amerika: Der Sohn eines russischen Einwanderers wird zum Exponenten einer Politik, deren Interpreten — je nach ihrer politischen Position — sie entweder als faschistisch oder aber als kräftig und belebend für das Nationalgefühl bezeichnen.

Als führenden Sprecher der Konservativen betrachten viele Amerikaner — aber auch manche Europäer — den 54jährigen republikanischen Senator Barry M. Goldwater aus Arizona, der häufig als möglicher Präsidentschaftskandidat der Republikaner für 1964 genannt wird. Die Meinungen über seine politischen und wirtschaftlichen Theorien — Goldwater ist Verfechter eines ausgeprägten Individualismus — gehen stark auseinander. Während die einen seine heftige Opposition gegen die Einmischung des Staates in politische und wirtschaftliche Belange ablehnen, stellt er für andere die beste Hoffnung für die Erhaltung der Republik dar.

Der ausgeprägte Individualismus Goldwaters mag zumindest teilweise dem Umstand zuzuschreiben sein, daß der Senator aus einer Familie von „Selfmademen“ kommt und in einem Gebiet der USA aufwuchs, das noch vor einer Generation zur „fron-tier“ mit ihrem rauhen, auf Selbstvertrauen aufgebauten Pionierleben gehörte.

Goldwaters Großvater war im frühen 19. Jahrhundert aus Rußland nach Amerika eingewandert und hatte sich nach langen Jahren als Wanderhändler im „Wilden Westen“ schließlich in Prescott, Arizona, niedergelassen, wo er ein Textilgeschäft betrieb. Das Geschäft florierte, und einer der Söhne des russischen Einwanderers eröffnete in der Folge eine Filiale in Phoenix (ebenfalls Arizona), wo dann am Neujahrstag 1909 Barry Goldwater zur Welt kam. Hier wuchs der künftige Senator heran und besuchte auch die Mittelschule, an die sich die Staunton-Militärakademie in Virginia anschloß. Während er an der Universität von Arizona studierte, starb 1929 völlig unerwartet sein Vater und er gab sein Studium auf, um — zwanzigjährig — die Führung der väterlichen Geschäfte zu übernehmen. Hieb ei war ihm ein außerordentlicher Erfolg beschieden: heute ist „Goldnater's“ eine der größten Warenhausketten im Südwesten der USA.

In die Politik kam Goldwater durch seine Wahl in den Stadtrat von Phoenix, für den er kandidierte, weil er der Meinung war, daß mit der öffentlichen Verwaltung unzufriedene Geschäftsleute versuchen sollten, selbst in die Lokalregierung hineinzukommen und dort ihre Stimme zu erheben. — Aus dem selben Beweggrund bewarb er sich schließlich 1952 als Republikaner um einen Sitz im US-Senat und wurde mit einer knappen Mehrheit von 7000 Stimmen gewählt.

Doch in den Jahren seither haben seine politischen Theorien die amerikanische Öffentlichkeit aufhorchen lassen.

Goldwater tritt für einen stufenweisen Rückzug der Washingtoner Zentralregierung von allen Programmen ein, die seiner Meinung nach nicht zu ihrem verfassungsmäßigen Mandat gehören. Er ist ein Gegner des Gewerkschaftsmitgliedszwanges und möchte den Gewerkschaften jede Art politischer Betätigung verbieten, bejaht aber ausdrücklich das Streikrecht als „einzige Waffe der Arbeiterschaft“. In der Bürgerrechtsfrage tritt Goldwater — übrigens ein ehemaliges Mitglied der „Nationalen Vereinigung für die Förderung der farbigen Bevölkerung“ (NAACP) — für die rassische Gleichberechtigung ein, unterstreicht hierbei aber, daß die bestehenden Probleme ohne Einmischung der Bundesregierung selbst gelöst werden müssen.

Auf außenpolitischem Gebiet fordert Senator Goldwater eine „neue nationalistische Position“ der USA als Mittelweg „zwischen jenen, die glauben, daß wir unseren eigenen Interessen wie denen der freien Welt am besten Im Alleingang... dienen können, und jenen, die unsere Rolle darin erblicken, sich mit den wirtschaftlichen, politischen und sozialen Problemen jeder anderen Nation auf der Welt zu befassen.“

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