6787138-1970_18_13.jpg
Digital In Arbeit

Das Paradies auf Erden

Werbung
Werbung
Werbung

STUDIEN ZUR FRIEDENSFORSCHUNG. Herausgegeben von Georg Picht und Heinz Eduard Tödt. 2 Bände, Ernst-Klett-Verlag, Stuttgart. 1. Band DM 22.80, 2. Band DM 19.50.

Studien über Krieg und Kriegführung sind uns geläufig. Für die Bewahrung des Friedens hat man bisher einen weit geringeren wissenschaftlichen Aufwand betrieben. Das meiste, was in dieser Richtung bisher vorgebracht wurde, galt mehr der Verhinderung von Kriegen als der bewußten und gezielten Herbeiführung des Friedens. Fragen der Abrüstung oder der Rüstungskontrolle standen im Vordergrund, und nur zu oft gab man sich der irrigen Überzeugung hin, der Friede sei gesichert, solange eben nicht der Kriegszustand formell erklärt sei. Die Entwicklung seit dem ersten und schon gar seit dem zweiten Weltkrieg hat diese Anschauung ad absurdum geführt. Selten hat es so wenig erklärte Kriege und zur gleichen Zeit so viel Gewalttätigkeit gegeben wie in unseren Tagen. Die Abschreckungspolitik der Großmächte wirkt im Hinblick auf dieses Geschehen lediglich wie eine Isolierschichte, die es zwar verhindert, daß die Flammen eines bestehenden Brandes nach oben hin hell auflodern, die aber kein Hindernis dagegen darstellt, daß die Glut unter dieser Schichte sich mit womöglich noch größerer Hitze immer weiter ausbreitet.

Im Gegensatz zu diesen rein prohi-bitiven Maßnahmen hat sich die moderne Friedensforschung ein weiteres Ziel gesetzt, nämlich Grundlagen, Voraussetzungen und Konzepte einer Ordnung zu suchen, die aus sich heraus nicht nur den Krieg, das heißt also die Gewaltanwendung, verhindert, sondern darüber hinaus den Frieden produziert. Eine faszinierende und schon vom Ansatz her viel aussichtsreichere Aufgabe als alle bisherigen Bemühungen der Kriegsverhinderung, eine Aufgabe, der sich unter anderem auch die Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft in Heidelberg zugewandt hat. Die von fünf Arbeitsgruppen dort vorgenommenen Untersuchungen, abgehaltenen Vorträge und Diskussionen sollen von nun an in den „Studien zur Friedensforschung“ der Öffentlichkeit vorgelegt werden. Der erste publizierte Band enthält sieben Beiträge über historisch-kritische, geistesgeschichtliche, systematische, ekklesiologische und völkerrechtliche Themen, während der zweite einer Monographie von Eva Senghaas-Knoblock, über „Frieden durch Integration und Assoziation“ gewidmet ist.

An Hand dieses sehr verschieden gestaltigen, aber in vielen Punkten höchst eindrucksvollen Materials wird deutlich, daß einerseits das bekannte Argument, Kriege werde es ebenso gut wie Krankheiten immer geben, kein wissenschaftlich brauchbarer Ansatzpunkt ist. (Und um eine Wissenschaft des Friedens handelt es sich hier ganz zweifellos.) Auf der anderen Seite erkennt man freilich auch, und das wird von den Autoren nicht minder klar gesehen, daß der Frieden selbst dann noch lange nicht gesichert wäre, wenn der allgemeine Ruf ertönen würde: „Die Waffen nieder.“ Denn um dieser Proklamation Wirksamkeit zu verleihen, müßten wesentliche wirtschaftliche, soziale und ideelle Fragen einer Lösung zugeführt werden. Hier befindet sich das eigentliche, weite Feld der Friedensforschung, da liegen ihre großen Chancen, dort werden wahrscheinlich auch weittragende Entscheidungen zu fällen sein, Entscheidungen, die im friedlichen Wege herbeizuführen selbst ein Friedensproblem ersten Ranges sein wird. In welchen Bereichen diese Entscheidungen liegen werden, das hat bereits vor Jahrzehnten ein amerikanischer Autor sehr prägnant ausgedrückt, wenn er meinte: „Wenn wir Frieden wollen, müssen wir dafür zahlen; und der Preis für Frieden ist Gerechtigkeit.“ Damit ist das eigentliche Dilemma des Friedens beim Namen genannt. Es läßt sich — wie man sieht — relativ leicht formulieren, seine Lösung ist dafür nichts weniger als schwierig. Sie zu finden würde aber bedeuten, das Paradies auf Erden zu einem wesentlichen Teil realisiert zu haben.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung