"Schwarz-Bunt" in Bedrängnis?

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Marktforscher Rudolf Bretschneider, Ex-FP-Parteiideologe Lothar Höbelt und der grüne Bundesrat Stefan Schennach über linke Wahlerfolge, rechte Töne in Wien und die Aussichten für Österreichs EU-Präsidentschaft.

Die Furche: Drei Landtagswahlen, drei linke Mehrheiten: Ist die linke Wende eingeläutet?

Rudolf Bretschneider: Es gilt der alte Satz: Erfahrene Propheten warten die Ereignisse ab. Was man als linke Wende bezeichnet, hat weder in Deutschland noch in Polen stattgefunden. Wenn man es auf Österreich bezieht, dann hat es eine wirklich linke Veränderung nur in der Steiermark gegeben. Aber abgesehen vom dortigen Abschneiden der Kommunisten - was ich für einen Irrtum halte - sehe ich so eine linke Wende nicht. Außerdem habe ich immer gesagt: Landtagswahlen sind keine Nationalratswahlen!

Stefan Schennach: Natürlich waren das Landtagswahlen mit ihren eigenen Phänomenen, aber darüber hinaus gibt es schon die Sehnsucht, dass diese Bundesregierung keine Mehrheit mehr hat. Sie hat keine Akzeptanz in dieser chaotischen Zusammensetzung und Ausrichtung. Schließlich gibt es riesige Herausforderungen: die Arbeitslosigkeit, die Spuren des Neoliberalismus. Die Leute sind besorgt, dass der Staat als Ordnungsfaktor völlig verschwindet, dass etwa eine Dienstleistungsrichtlinie mit dem Herkunftslandprinzip zutiefst in soziale Systeme eingreift. Die so genannten Modernisierungsverlierer suchen Antworten - und diese Antworten gehen in die Richtung, die man als linke Wende bezeichnet.

Die Furche: In Wien scheinen diese Modernisierungsverlierer eher rechte Antworten gesucht zu haben: Knapp 15 Prozent haben Heinz-Christian Straches fpö ihre Stimme gegeben ...

Lothar Höbelt: Ich würde diese Modernisierungsverlierer anderswo sehen: Die Arbeiter- und Bauernschaft hat die Modernisierung - ob positiv oder negativ - längst hinter sich. Jetzt trifft es den Mittelstand, und das sind womöglich eher die Leute, die Grün wählen und attac unterstützen. Ich glaube nicht, dass ein Facharbeiter, der als klassischer fpö-Wähler in Wien gilt, besonders durch die ökonomische Liberalisierung betroffen ist. Das sind Leute, die im Pfusch blendend verdienen. Diese Leute sind eher durch die Einwanderung betroffen. Prinzipiell würde ich zum "roten Oktober" sagen: Der hat ein Happy End. Verglichen mit der Steiermark war Wien ein Glück. Im stärksten spö-Bezirk Wiens hat Schwarz-Bunt gewonnen - nämlich in Simmering.

Bretschneider: Daraus einen Erfolg abzuleiten, ist kühn!

Höbelt: Aber das Saldo ist, dass dort, wo die spö sehr stark ist, die Linkswende nicht stattfindet.

Die Furche: Wenn die neuen Modernisierungsverlierer im Mittelstand zu finden sind: Wie kommt es dann, dass sich der Erfolg des bzö, das sich expressis verbis als Anwalt des Mittelstandes versteht, in Grenzen hält?

Höbelt: Weil ihm das niemand abnimmt. Und selbst wenn das bzö bei den nächsten Nationalratswahlen mit Ach und Krach über ein Kärntner Grundmandat eine Vertretung im Parlament erreichen würde, wäre es mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit für eine Mehrheitsbildung uninteressant. Darum sehe ich den Anreiz nicht, noch wahnsinnig viel in dieses Unternehmen hineinzubuttern.

Bretschneider: Ich würde trotzdem nicht wie Herr Höbelt behaupten, dass das bzö eine "politische Totgeburt" sei. Man hat aber einen schweren strategischen Fehler gemacht, nämlich die Bedeutung des Markenartikels "fpö" zu unterschätzen. Die Leute unterscheiden nicht so fein! Und ein Markenartikel etabliert sich nicht innerhalb eines Jahres, außer man nimmt sieben Millionen Euro in die Hand und bewirbt das massiv.

Höbelt: Ich sehe jedenfalls den Schrei des Marktes nach diesem Produkt "bzö" nicht - obwohl mir viele der Leute durchaus sympathisch sind. Aber es ist einfach eine verlorene Stimme.

Die Furche: Wie sympathisch ist Ihnen die fpö unter Heinz-Christian Strache, von der Sie im "Standard" gesagt haben, dass dort eine "Pol-Pot-Stimmung" herrsche, weil jeder sofort als Abweichler verdächtigt werde ...

Höbelt: Ich vermute das, weil man jeden, der einmal mitregiert hat, als Verräter schlecht macht. Nun muss man aber versuchen, die Strache-fpö in eine halbwegs vernünftige Richtung zu bringen - wobei ich bei Strache persönlich keine Schwierigkeiten sehe, aber bei der Schicht hinter ihm. Es ist schon ein Paradoxon, dass die Partei, die immer gegen die Funktionärsdichte argumentiert hat, jetzt hauptsächlich Politik von Funktionären für Funktionäre betreibt. Da war der Wiener Wahlkampf von Strache fast wieder ein Schritt hinaus - nämlich Themen anzusprechen, die nicht nur die eigenen Funktionäre interessieren.

Bretschneider: Themen? Das war ein professioneller Ein-Thema-Wahlkampf ...

Schennach: ... eine professionelle Menschenhatz. An Widerwärtigkeit war das nicht zu überbieten! Hier wurde gehetzt gegen Ausländer und gegen die Türkei-Bemühungen der eu.

Höbelt: Aber das war ja im Sinne aller Parteien. Alle - außer den Grünen natürlich - haben offiziell gesagt, sie sind gegen den eu-Beitritt der Türkei.

Schennach: Aber Entschuldigung, Herr Höbelt, bei "Pummerin statt Muezzin" geht es nicht um den Türkei-Beitritt, und auch nicht bei "Deutsch statt Nix verstehn'" ...

Höbelt: Aber Sie als strategischer Kommunikationsberater werden mir doch nicht sagen, dass ich ein Plakat machen soll mit der Aufschrift "Ich bin gegen die Präponderanz nicht-autochthoner Populationen" ...

Schennach: Aber ich kann nicht einen Wahlkampf führen gegen Menschen, die hier leben, um deren Integration wir uns bemühen, die wesentlich zur Volkswirtschaft unseres Staates und zur Sicherung der Sozialsysteme beitragen ...

Höbelt: Lassen Sie die Suada: Wahlkämpfe sind immer gegen Menschen!

Schennach: Nein, ein Wahlkampf kann auch ein Ideenwettbewerb sein! Was will ich? Welches Wirtschaftssystem? Im Wahlkampf der fpö wurden hingegen Menschen abgestempelt.

Bretschneider: Die Medien sind jedenfalls wieder dabei, sich ihren Haider zu suchen - und das kann ihm nur helfen. Faktum ist, dass das ein Ein-Thema-Wahlkampf war: Er war relativ klar und wirklich widerlich.

Die Furche: Wobei interessant sein wird, ob sich die övp die Koalitions-Variante mit der Strache-fpö offen lässt. Zuletzt hat Nationalratspräsident Andreas Khol jedenfalls gemeint, diese Partei befinde sich "sicherlich" innerhalb des Verfassungsbogens ...

Schennach: Für den Herrn Präsidenten Khol ist der Verfassungsbogen eine Art Expander, den dehnt er, wie er ihn gerade braucht: Wenn er findet, dass er ihn vergrößern muss, dann vergrößert er ihn. Dieser Wahlkampf hat aber schon seine Spuren hinterlassen: Es ist jetzt in den Parks oder in der Straßenbahn wieder modern, gegen Ausländer zu pöbeln. Dieser Sumpf ist jetzt wieder da.

Bretschneider: Aber Herr Schennach: Es gibt offenbar - so Leid mir das tut - eine Wählerschaft, die auf diese Themen der Aggressivität anspricht.

Die Furche: Kann sich die övp die Koalitions-Variante mit einer xenophoben fpö offen lassen?

Bretschneider: Wenn ich die Ansagen von verschiedenen Parteien höre, dann sind alle gut beraten - nicht nur die övp - einzeln anzutreten und nicht zu sagen: Wir gehen mit folgender Option in den Wahlkampf.

Die Furche: Auch eine christlich-soziale Partei wie die övp?

Bretschneider: Hören Sie mir auf! Nehmen Sie Deutschland, wo die cdu/csu mit einer sicheren Ansage Richtung fdp in den Wahlkampf gegangen ist. Jetzt müssen sie ganz andere Dinge tun, als sie vorgehabt haben.

Schennach: Wenn der Herr Höbelt sagt, ein Wahlkampf richtet sich immer gegen Menschen, dann sage ich: nein. Die Wiener Grünen haben etwa das Thema Grundsicherung thematisiert. Das ist jetzt auf der Agenda.

Höbelt: Aber gegen das Konzept der Grundsicherung ist der Verfassungsbogen ein klares Konstrukt!

Die Furche: Tatsache ist, dass die Wiener Grünen ihre Wahlziele klar verfehlt haben, wobei viele die mangelnde Positionierung dafür verantwortlich machen. Kommt die nächste Fundi-Realo-Debatte?

Schennach: Diese Debatte hat so einen langen Bart! Ich bin zeitweise ein Realo und zeitweise ein Fundi: Wenn ich darum kämpfe, dass der Wienerwald geschützt wird, dann bin ich ein Fundi. Wenn ich versuche, die Grundsicherung Realität werden zu lassen, dann bin ich ein Realo. Diese Chiffren bringen uns nicht weiter.

Die Furche: Die Wiener Grünen-Spitzenkandidatin Maria Vassilakou hat ihre Partei jedenfalls "links von der spö" positioniert ...

Schennach: Die Grünen sind zu bestimmten Themen links von der spö und in manchen bewahrender. Sozialpolitisch sind wir sicher links von der spö einzuordnen. Hier hat die spö Bremser, zum Beispiel in der eu-Erweiterung oder beim Beitritt der Türkei.

Die Furche: Apropos eu: Werden die innenpolitischen Verwerfungen unserer Präsidentschaft schaden?

Schennach: Der Bundeskanzler wird als Ratspräsident schwer abgelenkt sein. Möglicherweise wartet der Mann in Kärnten nur auf einen feschen Scherbenhaufen während der eu-Präsidentschaft.

Bretschneider: Ich glaube, die Bundesregierung ist auf die eu-Präsidentschaft relativ gut vorbereitet. Und ich glaube nicht, dass die Frage, wie groß das bzö gerade ist, eine große Rolle spielen wird. Das ganze Frühjahr wurde mit der Frage bestritten, wann die Regierung zerbrechen wird. Wobei die ganze Logik für einen Wahltermin 2006 spricht.

Schennach: Ja, weil so einen billigen Koalitionspartner wie jetzt wird die övp nie mehr haben.

Bretschneider: Und warum haben dann Gusenbauer und die Grünen immer gesagt, dass die Regierung zerbricht?

Die Furche: Wann immer gewählt wird: Wer hat die besseren Karten?

Bretschneider: Wie heißt es bei Bert Brecht: "Doch vom Dach ein Star pfiff: Wart paar Jahr!" Die Distanzen zwischen spö und övp sind minimal. Die Frage ist eher: Welche Koalitionen bilden sich nachher? Und da wird es von den Grünen abhängen, ob sie sich bewegen, oder ob Van der Bellen und Gusenbauer ihre alte Freundschaft wieder entdecken.

Schennach: Ich glaube, dass Wolfgang Schüssel einsamer dasteht, als er heute schon dasteht. Die övp hat in den letzten Jahren sehr viel Akzeptanz verloren.

Höbelt: Wenn die övp so viel verliert, wie sie in den letzten vier Jahren verloren hat, dann sehe ich der angenehmen Perspektive einer weiteren Schüssel-Alleinregierung für die nächsten vier Jahre entgegen. Aber wenn ich wetten müsste, hielte ich Rot-Grün noch immer für wahrscheinlicher.

Das Gespräch moderierten Doris Helmberger und Rudolf Mitlöhner.

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