Sommergespräche 2015 (II)

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Heinz-Christian Strache, Frank Stronach und Jörg Haider sind die Top 3 aller Zeiten bei den "Sommergesprächen". Sagt das etwas über die Verfasstheit des Landes aus?

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Heinz-Christian Strache, Frank Stronach und Jörg Haider sind die Top 3 aller Zeiten bei den "Sommergesprächen". Sagt das etwas über die Verfasstheit des Landes aus?

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Jetzt ist er also der Quotenkönig: Mit knapp einer Million Zusehern im Schnitt hat Heinz-Christian Strache nicht nur die bisherigen Gäste der diesjährigen ORF-Sommergespräche hinter sich gelassen, der FPÖ-Chef hat auch ein neues all-time high in der Geschichte dieses TV-Formats aufgestellt. Bemerkenswert ist zudem, wer ihm bei diesem Allzeit-Quoten-Ranking auf den Plätzen 2 und 3 folgt: Frank Stronach (827.000 Zuschauer, 2015) und Jörg Haider (807.000 Zuschauer, 1994). Das bestätigt zunächst einmal, dass Fernsehen primär Unterhaltung (entertainment) ist - und Politik im Fernsehen daher immer auch Politainment. Insbesondere bei Stronach dürften die hohen Zuseherzahlen nicht ganz mit der Wählergunst, der sich seine Partei zur Zeit erfreut, korrespondieren Aber man erwartet sich eben von ihm, wie von Strache oder seinerzeit von Haider, einen gewissen Unterhaltungswert: kantige, provokante, vielleicht auch witzige Sager.

Darüberhinaus spiegelt sich in diesen Zahlen freilich auch ein neuerlich dramatisch zunehmender Überdruss des Publikums an der überkommenen Politik mit ihrer notorischen Phraseologie wider (der ja bereits in den 1990er-Jahren Jörg Haiders Aufstieg mächtig unterzündet hat).

Politsymbiose von Links und Rechts

Der richtet sich naturgemäß vor allem gegen die Regierungsparteien SPÖ und ÖVP. Man darf demnach annehmen, dass die Quoten bei den noch bevorstehenden Sommergesprächen mit SPÖ-Chef Werner Faymann und ÖVP-Obmann Reinhold Mitterlehner deutlich unter den genannten Spitzenwerten liegen werden. Aber auch Eva Glawischnig (Grüne) und Matthias Strolz (NEOS) dürfte es bei ihren TV-Auftritten kaum gelungen sein, über ihre Kernanhängerschaft hinaus zu überzeugen - was ja auch in den Wahlergebnissen immer wieder seine Entsprechung findet.

Dieser Überdruss ist demokratiepolitisch durchaus unerfreulich, aber er lässt sich nicht wegreden, geschweige denn mit moralisch aufgeladener Empörung bekämpfen. Letztere beflügelt vielmehr, wogegen aufzutreten sie vorgibt. Ja, vorgibt - denn der Verdacht liegt ziemlich nahe, dass wir es hier mit einer Politsymbiose zu tun haben: Nicht nur Strache lebt von den Attacken seiner Gegner, auch die Linke hat stets die extreme Rechte zu ihrer ideologischen Selbstvergewisserung und Legitimation gebraucht (und schlägt der Einfachheit halber gerne Brücken von Ganz-zu Mitte-Rechts - Motto: "wir oder der Faschismus").

Österreich als Lachnummer

Kann man also Straches Aufstieg nur zur Kenntnis nehmen, muss sich die Geschichte - wohl als Farce - wiederholen? Nun, es ist nicht ganz falsch, was Peter Filzmaier in der ZIB 2 gesagt hat: angesichts der gegenwärtigen Themenlage (v. a. Asyl) würde es auch reichen, wenn Strache "die Bundeshymne singt", er brauche also fast nichts tun. Dass freilich diese Themenlage ihm so sehr in die Hände spielt, hat dann doch wieder mit den handelnden (?) Personen zu tun. Es gibt ja kaum ein Land, das sich in der Asylfrage so sehr zur Lachnummer macht, wie Österreich. Das Gezerre rund um Quoten, Container und Zelte ist nur noch erbärmlich.

Woran es - freilich nicht nur in dieser Frage - mangelt, ist leadership. Dazu muss man keine intellektuelle Lichtgestalt sein, keine rhetorischen Feuerwerke abbrennen können - es reicht, wie man etwa an der alles andere als brillanten oder charismatischen Angela Merkel sieht, Solidität und Klarheit. Aber auch viele andere Regierungsspitzen in EU-Ländern zeigen, so oder so, mehr Flagge - in der Asylfrage wie auch anderswo.

Bei uns hingegen die perpetuierte Herrschaft von SPÖVP, der "Partei der institutionalisierten Stagnation". Das freut den Quotenkönig HC - und freudig kann er weiter die Bundeshymne singen.

rudolf.mitloehner@furche.at

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