Ethik und Krise: "Reicher als reich, reicht das?"

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Die Wirtschaftskrise wirft zwar neue soziale Fragen auf, zur großen ethischen Wende in Wirtschaft und Gesellschaft ist es bisher dennoch nicht gekommen. Darin waren sich die Beteiligten der Diskussion zum Thema "Die ethische Wende: Nachhaltigkeit und Demut statt Gier?" im Haus der Industrie in Wien einig.

Wer ist schuld an den gewaltigen Turbulenzen, die derzeit unter der Chiffre "Krise" durch die Medien geistern: Die Managerinnen und Manager, die Banken - oder etwa das System, das wir doch eigentlich alle repräsentieren? Diesen Grundfragen widmeten sich kürzlich Vertreter aus Wirtschaft, Kirche und Journalismus im Rahmen der Podiumsdiskussion "Die ethische Wende: Nachhaltigkeit und Demut statt Gier?" Die Industriellenvereinigung lud in Kooperation mit der FURCHE und respACT, einer Organisation, die sich für das Prinzip der Nachhaltigkeit in Unternehmen einsetzt, ins Haus der Industrie.

Dauer und Nachhaltigkeit der Krise

In die Diskussion, eröffnet von IV-Bereichsleiter Christian Friesl und moderiert vom stellvertretenden FURCHE-Chefredakteur Rudolf Mitlöhner, starteten die fünf Teilnehmer mit der Frage nach der Rolle der Gier in der globalen Krise.

Friedrich Mostböck, Head of Research bei der "Erste Group", sieht den Ausgangspunkt der Krise klar in den USA und macht die Gier für die Krise mitverantwortlich: "Globale Banken sind mit ihren Produkten Risiken eingegangen, die in keinem Verhältnis zu ihrem anderen Business gestanden sind. Die ist man bewusst eingegangen, weil man eben auch riesigen Ertrag gemacht hat." Zweifelsohne würde sich die breite Bevölkerung nun auf Werte wie Demut rückbesinnen, er sehe bisher aber keine ethische Wende aufkommen. Denn das hinge davon ab, wie lange die Krise dauern und wie nachhaltig sie sein würde. Dass die deutsche Wirtschaft nach derzeitigen Prognosen voraussichtlich um vier Prozent einbrechen, oder die Eurozone mit drei Prozent Minus schließen wird, zeige, dass die jetzige Krise nicht mit den bisherigen Wirtschaftskrisen der letzten Jahrzehnte vergleichbar sei: "Das waren lokale Krisen." Walter Sonnleitner, bis vor Kurzem als Wirtschaftsjournalist beim ORF tätig, kann mit der Ursache "Gier" nichts anfangen, weil Gier per se keine ökonomische Kategorie sei, sondern vielmehr Begriff einer semantisch-ideologischen Kriegsführung zur Unterstützung politischer Ziele. "Das wahre Problem ist, dass man die Realwirtschaft nicht sorgfältig genug von der Geldwirtschaft getrennt hat", so Sonnleitner. Vom Schnüren von Finanzpaketen hält er wenig: "Das ist wie einem Rauschgiftsüchtigen Rauschgift zu geben. Er wird weitermachen, damit er zufrieden ist."

Schuldigensuche oder Ursachenanalyse

Peter Oswald, CEO der Verpackungsfirma Mondi AG und Präsident von respACT, protestierte gegen voreilige Schuldzuweisungen, seien es "die Manager", oder "die USA" - viel wichtiger sei eine Ursachenanalyse. Zwar sei die Krise von den Vereinigten Staaten ausgegangen, aber auch ohne diese hätte es die Krise gegeben, so Oswald unter Verweis auf die Entwicklungen in England und Spanien. "In den letzten 30 Jahren hat es eine riesige Party gegeben und alle haben sich gefreut mitzumachen. Diese Euphorie hat letztendlich dazu geführt, dass man immer mehr an die Grenzen gegangen ist." Die Krise werde sich sicherlich ins Bewusstsein der Menschen einprägen, die Gesellschaft aber langfristig nicht ändern. Die soziale Marktwirtschaft hält er für das richtige System, man brauche aber "klare Fahrbedingungen", die seit 30 Jahren vergessen worden seien.

Alexandra Strickner von der globalisierungskritischen Organisation Attac plädiert für eine globale Finanzmarktregulierung und kritisiert, dass falsche Werte transportiert werden: "Wenn der Dow Jones positiv schließt, wird das immer begrüßt, ohne dass man fragt, was dahintersteht. Man hat Zusammenhänge nicht aufgezeigt, z. B. dass hohe Umsatzzahlen beispielsweise mit Entlassungen einhergehen können."

Von einer ethischen Wende sieht sie "die Menschheit noch ziemlich weit entfernt"; und statt nur von einer Finanzkrise wolle sie lieber von einer "systemischen Krise" sprechen: "Dass weltweit über eine Milliarde Menschen hungern, beweist das. Wir haben ein Wirtschaftsmodell, das uns allesamt gegen die Wand fährt." Strickner spricht sich auch für eine "energieärmere Wirtschaft" mit Hinsicht auf "die derzeitige Klima- und Energiekrise" aus und fordert ökologische Nachhaltigkeit.

Der evangelische Bischof Michael Bünker plädiert ebenfalls für "neue Regeln", denn "nicht die Spielzüge sind das Problem, sondern die Regeln". Moralisches Entrüsten über Managergehälter bringe niemanden weiter, so wichtig es sei, darüber nachzudenken. Als Auslöser für die Krise sieht er einen Verlust von Maß und Proportion: "Was ist viel, was wenig? Zehn Billionen Dollar: Was ist das? Niemand weiß mehr, was etwas bedeutet." Bei einem New-York-Besuch habe er auf einer Leuchtreklame gelesen: "Too much is not enough." "Jetzt sehen wir das Resultat davon, würde ich als Laie meinen", so der Bischof.

Das Spielfeld des globalen Marktes

"Bei uns heißt das: Reicher als reich, reicht das?", ergänzt Sonnleiter. Den weltweiten Finanzmarkt verglich er mit einem Spielfeld, auf dem verschiedene Mannschaften gleichzeitig ihre Sportarten ausüben: "Die Rugby-Spieler dreschen aufeinander ein und wer am meisten drischt, hat am meisten Erfolg. Die Football-Spieler hauen sich auf die anderen drauf, wer größer und stärker ist, gewinnt. Die eleganten Fußballspieler setzen auf soziale Verantwortung und kommen drauf, dass sie dauernd eine drüber bekommen, weil andere stärker sind." Und dann gebe es noch jene Menschen am Spielrand, die nicht mitspielen dürfen: "Irgendwann werden sie nicht mehr nur Flaschen aufs Spielfeld werfen, sondern Feuerwerkskörper und versuchen, die anderen am Spielen zu hindern."

* Diese Seite entstand in Kooperation mit der Industriellenvereinigung

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