Islamgesetz: Eine "Polizei" für die Religion(en)?
Die aktuellen Rufe nach einer "Verschärfung" des Islamgesetzes propagieren die Rückkehr zur Staatskirchenhoheit. Ein Gastkommentar.
Die aktuellen Rufe nach einer "Verschärfung" des Islamgesetzes propagieren die Rückkehr zur Staatskirchenhoheit. Ein Gastkommentar.
Die durchaus vorhersehbaren Schwierigkeiten bei der Umsetzung des Islamgesetzes 2015 haben offenbar eine erfreuliche arbeitsmarktpolitische Konsequenz. Wie den Medien zu entnehmen war, wurde im Ministerrat beschlossen, das Kultusamt um zehn Dienstposten aufzustocken und in ein Bundesamt für Religionsangelegenheiten umzuwandeln.
Im Hintergrund dieses religionsrechtlichen Hypes steht ein sich seit Jahren abzeichnender Umbruch des österreichischen Religionsrechtes, der angesichts der Schwierigkeiten mit dem Islamgesetz richtig virulent wurde. Es bricht eine Reihe von religionsrechtlichen Grundsatzfragen auf, von denen insbesondere zwei öffentlich diskutiert werden. So kam der Schlüsselbegriff des österreichischen religionsrechtlichen Systems - innere Angelegenheiten der gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften -ins Gerede. Auch die Frage nach polizeilichen Funktionen der neu aufzustellenden Kultusbehörde - Stichwort "Kultusbzw. Religionspolizei" - wurde gestellt.
"Innere Angelegenheiten" der Religionen
Der Begriff der "inneren Angelegenheiten" entstammt dem Artikel 15 des bis heute in Geltung stehenden Staatsgrundgesetzes über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger aus 1867, das daher heuer sein 150-Jahre-Jubiläum feiert. Er war zwar 1867 zunächst noch relativ offen angelegt, jedoch kam es schon wenige Jahre später zu einer Verstärkung der staatlichen Kontrolle über die Kirchen, denn - so hieß es in den Erläuterungen zum Katholikengesetz 1874 - es dränge alles nach einer Vermehrung des staatlichen Einflusses auf die kirchlichen Verhältnisse. Man wollte einen beträchtlichen Teil jenes Einflusses zurückgewinnen, welchen die liberalisierenden Bestrebungen seit 1848 in gänzlicher Verkennung der Bedeutung der mächtigen Kirchen leichtfertig aufgegeben hatten. Was die Bestimmung der "inneren Angelegenheiten" betrifft, so wurde daher festgestellt, dass deren Bestimmung und Abgrenzung Sache des Staates sei, innere kirchliche Angelegenheit sei grundsätzlich das, was der Staat hierfür erklärt. Diese Formulierungen waren Ausdruck des staatskirchenhoheitlichen Systems, in dem die öffentlich-rechtliche Stellung von Religionsgemeinschaften als ein probates Mittel gesehen wurde, staatliche Aufsicht und Kontrolle über diese auszuüben. Typisch für dieses System war daher etwa, dass die Errichtung religionsgemeinschaftlicher Verbände, die gesamte kirchliche Ämterbesetzung und die kirchliche Vermögensverwaltung unter staatlicher Kontrolle standen.
Die Praxis der staatlichen Kirchenaufsicht war zwar bis in die Erste Republik eher kirchenfreundlich ausgerichtet, das staatskirchenhoheitliche System wurde jedoch erst nach 1945 durch Gesetzgebung und Rechtsprechung sukzessive abgebaut. Als erster Höhepunkt dieser Entwicklung gilt das sogenannte Protestantengesetz 1961, das als religionsrechtliches Mustergesetz der Zweiten Republik bezeichnet werden kann, da in ihm das durch Artikel 15 StGG gewährleistete Selbstbestimmungsrecht in adäquater Weise religiös-neutral rechtsstaatlich weiterentwickelt wurde. In diesem Sinne hält der Verfassungsgerichtshof seit 1987 in ständiger Rechtsprechung fest, dass der Bereich der inneren Angelegenheiten im Sinne des Artikels 15 StGG grundrechtsdogmatisch konsequent "nur unter Bedachtnahme auf das Wesen der Religionsgesellschaften nach deren Selbstverständnis erfassbar" ist. Der Staat hat im Falle eines Verstoßes gegen geschützte Rechtsgüter, insbesondere öffentliche Ordnung und Sicherheit, entsprechende Grenzen zu setzen.
Pluralisierung der religiösen Landschaft
Dieses am Grundrecht der Religionsfreiheit und an einem kooperativen Trennungssystem orientierte Konzept wurde in der Folge durch die zunehmende Pluralisierung der religiösen Landschaft herausgefordert. Es waren vor allem innere Konflikte bei Religionsgemeinschaften, deren gesellschaftliche Bedeutung durch Immigration stark angestiegen war, und/oder die einen geringeren Organisierungsgrad als die traditionellen Kirchen aufweisen.
Diese Problematik machte sich erstmals im Orthodoxengesetz 1967 bemerkbar, das nicht zuletzt aus Anlass von Streitigkeiten innerhalb der Serbisch-orthodoxen Kirchengemeinde erlassen wurde, die aufgrund des damals geltenden Rechts nicht beizulegen waren. Das Orthodoxengesetz führte in einer überschießenden Reaktion dem staatlichen Religionsrecht ein bis dahin unbekanntes Aufsichtsinstrument ein, nämlich die Möglichkeit der Bestellung eines Kurators für eine Kirchengemeinde, wenn diese die Korrektur einer dem Gesetz widersprechenden Satzung nicht vornimmt oder wenn sie bei der gesetzgemäßen Bestellung von Organen säumig wird. Diese Möglichkeit einer Kuratorenbestellung ist in etwas vorsichtigerer Form später im Israelitengesetz 2012 und Islamgesetz 2015 übernommen worden und damit inzwischen gleichsam zum religionsrechtlichen Standard geworden.
Im Israelitengesetz ging man einen staatskirchenhoheitlichen Schritt weiter. Es wurde das Recht zu einer Wahlaufsichtsbeschwerde an den zuständigen Bundesminister eingeführt, falls außenvertretungsbefugte Organe oder Religionsdiener durch Wahl bestellt werden. 1965 hat der Verfassungsgerichtshof in Bezug auf die Israelitische Religionsgesellschaft noch ausgesprochen, dass es für die Anfechtung von Wahlen in Organe der israelitischen Kultusgemeinde keine gesetzliche Grundlage gebe, was damit zusammenhänge, dass diese Vorgänge eine innere Angelegenheit wären. Die Bestimmung des Israelitengesetzes wurde dann wörtlich in das neue Islamgesetz übernommen.
Das Islamgesetz setzte diese Entwicklung insbesondere bei der Kontrolle des islamischen Vereinswesens und beim Vermögensrecht weiter fort. Es feiern damit Klassiker der staatskirchenhoheitlichen Einflussnahme fröhliche Urständ. In §6 Absatz 2 des Islamgesetzes heißt es: "Die Aufbringung der Mittel für die gewöhnliche Tätigkeit zur Befriedigung der religiösen Bedürfnisse ihrer Mitglieder hat durch die Religionsgesellschaft, die Kultusgemeinden bzw. ihre Mitglieder im Inland zu erfolgen." In den Erläuterungen dazu wurden in verwirrender Weise Anleitungen für eine "Umgehung" gegeben, wonach Zuwendungen aus dem Ausland nicht grundsätzlich unzulässig seien, solange es sich um keine laufenden Finanzierungen handle. Eine einmalige Schenkung wäre mit dem Gesetzeswortlaut vereinbar. Wenn daraus ein laufender Ertrag, beispielweise zu einer Finanzierung von bestehenden Personalkosten, erzielt werden soll, so wäre eine Schaffung einer inländischen Stiftung möglich.
Polizeiliche Aufgaben der Kulturverwaltung?
Im Zuge der Versuche, das Islamgesetz in der Praxis umzusetzen, tauchten dann in den genannten Bereichen die vorhergesagten Schwierigkeiten auf. In den Medien wird dazu nun berichtet, dass die Finanzen von Einrichtungen, die dem Islamgesetz unterliegen, von Wirtschaftsprüfern geprüft werden sollen. Wenn der Verdacht besteht, dass gegen das Verbot der Auslandsfinanzierung verstoßen wird, solle das Kultusamt, ähnlich wie das jetzt schon bei Finanzstrafverfahren möglich ist, auch Konten öffnen können.
Auf die Kultusbehörde kämen damit Aufgaben zu, die durchaus als spezielle verwaltungspolizeiliche Aufgaben angesehen werden können. Es ist interessant, dass angesichts der sich abzeichnenden Rückkehr zu staatskirchenhoheitlichen Bestimmungen bereits 2010 beim "Dritten Seggauberger Gespräch zu Staat und Kirche" von einer Vortragenden die Frage zur Diskussion gestellt wurde, ob sich im Bereich der österreichischen Kultusverwaltung die Entstehung einer Art Kultus-bzw. Religionspolizei abzeichne. Wie immer man die neuen Aufgaben der Kultusverwaltung verwaltungsrechtlich einordnen möchte, eines muss von Anfang an klar sein, dass etwa sicherheitspolizeiliche Aufgaben strikt von den kultusspezifischen "polizeilichen" Aufgaben der Kultusverwaltung unterschieden werden müssen.
Bei all dem muss schließlich auch bedacht werden, dass dem österreichischen Religionsrecht selbstverständlich der Gleichheitsgrundsatz inhärent ist, der in der Parität der anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften seinen Ausdruck findet. Es darf daher vermutet werden, dass im Zuge der aufbrechenden Probleme mit dem Islamgesetz allgemein religionsrechtliche Standards entwickelt werden, mit denen auch die anderen Kirchen und Religionsgesellschaften konfrontiert sein werden.
Der Autor ist em. Univ.Prof. für Religionsrecht an der Rechtswiss. Fak. der Uni Wien
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