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Der Bürger und sein Staat

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Artikel 1 der Bundesverfassung lautet: Österreich ist eine demokratische Republik, ihr Recht geht vom Volk aus.

Was besagt nun dieser in zwei Sätze geformte Verfassungsartikel? Daß das Volk berufen ist, Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung auszuüben.

Daraus folgert zwangsläufig, daß die Mitwirkung der Bürger zur Erhaltung der verfassungsmäßigen Ordnung verlangt wird. Wenn wir den Staat bejahen, so ist es selbstverständlich, daß wir diesen Staat, der für uns Vaterland, Heimat, Kultur- und Wirtschaftsraum ist, vor allen Gefahren schützen, insbesondere vor jenen, die an seinem Bestand rütteln könnten.

Es gibt heute leider sehr viele Leute, die wissentlich oder unwissentlich die verfassungsmäßigen Einrichtungen des Staates herabsetzen, und zwar mehr, als sachliche Kritik es erlaubt, die die Verfassungsbestimmungen sehr leicht nehmen und auch in der Haltung gegenüber anderen Staaten und Regierungen von unserem Heimatboden aus Stellungnahmen beziehen, die unserem Staat nicht nützen, im Gegenteil, unser Ansehen und unsere Beziehungen trüben und auf diese Weise Schaden stiften. Man wird mir nun entgegenhalten, dann soll doch die Regierung eingreifen, und wenn sie keine Handhabe dazu hat, dann soll sie eben die entsprechenden Gesetze schaffen. Das ist leichter gesagt als getan.

Wir finden in unserer Rechtsordnung eine Reihe von Bestimmungen für den Schutz des Staatswesens. Diese Bestimmungen sehen, je nach Art und Schwere der beabsichtigten oder tatsächlich erfolgten Tat, verschieden abgestufte Strafsanktionen vor.

Es werden Handlungen gegen den Staat und das staatspolitische Leben erfaßt. Die Gesetzesbestimmungen haben sich aber aus ganz anders gearteten Formen des Staates und des politischen Lebens entwickelt. Daher finden wir diese abwehrenden Bestimmungen in Gesetzesbänden, die bis ins vorige Jahrhundert und in die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhundert?3rticlcweisen. Mit diesen Gesetzen können aber manche, das Ansehen des Staates schwer schädigende Täten in der Art, wie sie heute aufscheinen, überhaupt nicht bekämpft werden. Es seien erwähnt:

• Schmähungen und Verächtlichmachung fremder Staaten, deren Oberhäupter und Regierungen,

• Spionage zugunsten dritter Staaten,

• Wirtschaftsspionage.

Das Strafgesetz, das aus dem Jahre 1852 stammt, gibt wohl die Handhabe, alle hochverräterischen Handlungen zu bestrafen. Hierzu gehören vor allem die Bestrebungen zu

• gesetzwidriger Änderung der Verfassung,

• die gewaltsame Veränderung der Regierungsform,

• Angriffe auf den einheitlichen Staatsverband oder den Länderumfang,

• Herbeiführung oder Vergrößerung einer Gefahr für den Staat von außen,

• oder einer Empörung oder

• eines Bürgerkrieges im Innern, und zwar nicht nur tatsächliche Unternehmungen, sondern auch Aufforderungen hierzu. Auch erfolglos gebliebene, auf hochverräterische Ziele gerichtete Handlungen wie auch die Mitschuld am Hochverrat können nach diesen Gesetzesstellen geahndet werden.

Das Strafgesetz ermöglicht ferner die Bekämpfung von Störungen der öffentlichen Ruhe, das ist Aufreizung zur Verachtung oder zum Haß gegen den einheitlichen Staatsverband, der Regierungsform oder Staatsverwaltung, zum Ungehorsam und zur Auflehnung oder zum Widerstand gegen Gerichte oder andere öffentliche Behörden.

Weitere Bestimmungen schützen den Bundespräsidenten, die Mitglieder von Vertretungskörpern (Nationalrat, Bundesrat und Landtage) sowie einen bestimmten Kreis von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und die Vertreter ausländischer Staaten gegen Ehrenbeleidigung.

Andere Normen befinden sich im sogenannten „Staatsschutzgesetz“ aus dem Jahre 1936, das sich insbesondere gegen den geheimen Nachrichtendienst, aber nur wenn er gegen Österreich gerichtet ist, gegen die Gründung bewaffneter und staatsfeindlicher Verbindungen, gegen die Verabredung zu Verbrechen und gegen das Ansammeln von Kampfmitteln richtet. Weil dieses Gesetz aber aus einer Staatsperiode stammt, deren Verfassungsmäßigkeit von einer Seite besonders angezweifelt wird, wird es ungern angewendet.

Wenn es nun immerhin so scheint, als ob eine umfassende gesetzliche Regelung der Mjfterie gegeben und genug Schutzbestimmungen vorhanden wären, so muß ich aber dennoch darauf hinweisen, daß, wie ich bereits andeutete, beachtliche Interessen des Staates völlig ungeschützt sind.

Der in der Strafrechtskommission in Beratung befindliche Strafgesetzentwurf hat die bisher geltenden Bestimmungen weitgehend übernommen, sie modernisiert und teilweise ergänzt. So ist zum Beispiel die Bestrafung der Auskundschaftung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen zugunsten des Auslandes vorgesehen. Eine Erweiterung • haben auch die Bestimmungen über den Verrat von Staatsgeheimnissen gefunden. Es sind hiermit für die Zukunft zweifellos gewisse Fortschritte vorgesehen, wenn sie auch derzeit noch nicht wirksam sind. Mir schiene es aber zweckmäßig, würden die im Strafgesetz und anderen Gesetzen verstreuten Bestimmungen, die man als Staatsschutznormen ansehen kann, herausgehoben und in ein eigenes Gesetz gegossen, damit sie leichter gehandhabt werden können und auch dem Staatsbürger geläufiger werden.

Was aber noch einen wesentlichen Mangel darstellt, ist, daß die von der österreichischen Republik feierlich verkündete immerwährende Neutralität, die, in der Verfassung verankert, das Fundament unserer Außenpolitik ist, derzeit überhaupt nicht geschützt erscheint.

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