6578636-1951_04_14.jpg
Digital In Arbeit

Die Elternbefragung im Burgenland

Werbung
Werbung
Werbung

Das burgenländische Schulwesen hat eine von den übrigen Bundesländern abweichende Entwicklung genommen, die durch die Übernahme der ungarischen Gesetzgebung im Jahre 1921 begründet ist. Damals gab es Staats- und Gemeindeschulen, in den allermeisten Fällen herrschte jedoch die konfessionelle Schule vor (katholisch, protestantisch, israelitisch). Auch diese war nach dem Gesetz eine öffentliche Schule, sie unterstand jedoch weitestgehend der kirchlichen Einflußnahme. Der Pfarrer war ursprünglich der Direktor der Schule (Kardinal Piffl hat jedoch schon 1923 die Lehrer allgemein mit der Leitung betraut), er war der Vorsitzende des Schulstuhles, der ein Aufsichts-, Verwaltungs- und Vorschlagsrecht für die Lehrerernennung hatte. Dem Schul-stuhl gehörten auch der Schulleiter und bei höher organisierten Schulen weitere Lehrpersonen, insbesondere aber die Vertreter der Elternschaft an, die alle sechs Jahre neu gewählt wurden. Diese Verhältnisse gründeten auf dem ungarischen Schulrecht, Ges. Art. XXXVIII aus 1868 sowie auf Ges. Art. XXVII aus 1907. Auch Ges. Art. XXVIII aus 1876 hat noch Bedeutung, er handelt von den Volksschulbehörden und regelte insbesondere die Schulaufsicht.

Gemäß 6 des Bundesverfassung s14.02.xhtmlgesetzes vom 25. Jänner 1921, LGB1. Nr. 85/1921, blieb das bis dahin im Burgenland bestandene Recht aufrecht. Ergänzungen kleinen Umfanges brachten mehrere Ministerialverordnungen. Im wesentlichen aber bestand diese Ordnung bis 1933 weiter. Denn weder verabschiedete das Parlament ein neues Schulgesetz noch erließ der Unterrichtsminister im Verordnungsweg grundlegende Abänderungen. Erst 1936 erfolgte ein Bundesgesetz, wonach das Volksschulwesen des Burgenlandes durch den Landtag neu geregelt werden sollte. Im bur-genländischen Landesschulgesetz 1937, LGB1. Nr. 40/1937, beschloß der Landtag diese Neuordnung, mit der alle bis dahin geltenden Vorschriften des ungarischen Rechtes hinsichtlich des Volksschulwesens außer Kraft gesetzt wurden.

Nach diesem Gesetz hatten die Lehrpläne auch der konfessionellen Schulen den vom Bundesminister für Unterricht erlassenen Lehrplänen zu entsprechen, über die Zulassung der Lehrbücher entschied der Bundesminister für Unterricht, die Lehrkräfte waren öffentliche Angestellte, lediglich die Anstellung an konfessionellen Schulen war Sache der zuständigen Kirchenbehörde. Das Dienstrecht war aber weitgehend dem der Staatslehrer angeglichen. Auch die Schulaufsicht wurde in die Hand der staatlichen Organe gelegt, daneben wurde freilich auch die kirchliche Schulaufsicht durch die Kreisinspektoren beibehalten. *Me untersten Aufsichtsbehörden (Schulstuhl) blieben auf die Befugnisse der Ortsschulräte beschränkt.

Dieses neue Gesetz war vielen Wünschen der Lehrpersonen und den geänderten Zeitverhältnissen entgegengekommen, es konnte sich aber kaum noch richtig geltend machen, da das Jahr 1938 der vollen Entfaltung ein rasches Ende setzte. Der nationalsozialistische Landeshauptmann Portschy erließ einige „Ubergangsbestimmungen“, wodurch er Vorschriften des Gesetzes von 1937 außer Kraft setzte. Insbesondere wurden die konfessionellen Volksund Hauptschulen ihres Charakters entkleidet und bestimmt, daß sie als allgemeine öffentliche Schulen weitergeführt werden. Nach der bald erfolgten Aufteilung des Burgenlandes und der Einverleibung an Niederösterreich und Steiermark wurde einfach das alte Reichsvolksschulgesetz angewendet, eine förmliche Ausdehnung durch Gesetzesbeschluß oder Verordnung konnte man sich auf Grund der Eingliederung ersparen.

Im Jahre 1945 erstand das Burgenland wieder. Das Schulgesetz vom Jahre 1937 konnte nicht wieder Anwendung finden, weil laut Verfassungsüberleitungsgesetz vom 1. Mai 1945, Art. 2 und Art. 3 (1), die nach dem 5. März 1933 erlassenen Gesetze ausdrücklich aufgehoben wurden. Das Reichsvolksschulgesetz jedoch war für das Burgenland als Bundesland nie in Rechtskraft erwachsen. Praktisch wurde es aber und wird es gehandhabt, obwohl ihm nach der geltenden Rechtslage keine Wirksamkeit im Burgenland zukommt. Das wissen auch die Schulfachleute und berufen sich nun auf den zitierten ominösen Erlaß des nationalsozialistischen Landeshauptmanns Portschy. Freilich wird auch dieser Hinweis kaum richtig sein. Denn da das Schulgesetz von 1937 nicht mehr gilt, so müßten auch die darauf bezüglichen Ubergangsbestimmungen ihre Gültigkeit verloren haben. So entbehrt das gegenwärtige burgenländische Schulwesen der Rechtsgrundlage. Aufrichtigerweise müßte man am Zustand des Jahres 1933 als Ausgangsbasis einer vernünftigen Neuregelung anknüpfen.

Davon wollen freilich die Gegner der katholischen Schule nichts wissen. Die Gründe, die sie dagegen ins Treffen führen, unterschieben — bewußt oder unbewußt — den Vertretern der katholischen Schule Absichten, die sie 'gar nicht haben. Es wird von „separatistischen Schullösungen“ und von einer „Aufsplitterung des österreichischen Schulwesens“ gesprochen; die bundeseinheitliche Dienst- oder Besoldungsrechtstellung der Lehrerschaft wird als gefährdet hingestellt, die Einheit und das gegenseitige Verständnis der Jugend werde durch weltanschaulich ausgerichtete Schulen zerstört.

Angesichts vieler unsachlicher Einwendungen tut es gut, die Erwartungen, die gläubige Menschen von einer katholischen Schule hegen können, auszusprechen. Jedermann ist sich im klaren darüber, daß die Eltern das Bildungsgut eines Volkes in den seltensten Fällen allein ausreichend vermitteln könnten. Mit Recht vertrauen sie diese Aufgabe eigenen befähigten Einrichtungen an, die freilich nicht staatlicher Natur sein müß-

Gerade diese Tatsache aber beunruhigt viele Eltern, vor allem, wenn sie sich ihrer Verantwortung für die Erziehung der Kinder noch bewußt sind. Sie sehen sich auf Grund natürlichen und göttlichen Rechts verpflichtet, die charakterliche Heranbildung ihrer Kinder ständig im Auge zu behalten. Sie erfahren aber im steigenden Maß neben sich eine Macht, die unabhängig von ihrem elterlichen Willen und Einfluß die Kinder nach anderen Anschauungen erzieherisch formt. ten, wenn sie es auch vielfach sind. Die Schule beschränkt sich nun aber keineswegs auf Vermittlung geistiger Güter, immer deutlicher tritt seit Jahrzehnten ihre erzieherische Aufgabe hervor. Je mehr aber alle Bereiche des öffentlichen Lebens säkularisiert werden, um so mehr laufen auch die allgemeinen Schulen Gefahr, im Sinne einer säkularisierten Lebensauffassung zu erziehen. Die Wirkung dieser erzieherischen Einflüsse sind seit langem spürbar.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung