Basis nicht zerstören!

Werbung
Werbung
Werbung

Nach der Präsidentschaftswahl: Den Politikern tut jetzt ernste Besinnung not. Von Franz Olah die furche 1. 8. 1986

Die politische Auseinandersetzung stand in Österreich seit 1945 bereits auf keinem besonders hohen Niveau. Die Argumente waren oft armselig und wenig intelligent. Der "andere" durfte ja nie recht haben. Und gelobt wurde der politische Widerpart erst nach seinem Tod. [...]

Ich war immer der Meinung, daß bei aller Gegensätzlichkeit alle aus der Vergangenheit lernen müssen. Diese Erfahrungen haben wir doch alle teuer und bitter bezahlt. Der gemeinsame und so erfolgreiche Wiederaufbau unseres Staates und unserer Wirtschaft, der soziale Fortschritt waren doch etwas, worauf wir alle stolz sein konnten.

Natürlich hat dabei keine Seite die Vergangenheit vergessen. Die sozialistischen Arbeiter und die Gewerkschafter hatten zu lebhaft in Erinnerung, wie sie vor 1938 behandelt worden waren. Eine österreichische Regierung, die sich patriotisch nannte, aber die Hälfte der Bevölkerung entrechtet hat und unter dem Anspruch eines christlichen Staates mit dem Galgen regierte, konnte man nicht so leicht aus einem Gedächtnis auslöschen. Es wäre wahrscheinlich leichter gewesen, wenn sich die Überlebenden des ständestaatlichen Regimes dazu hätten entschließen können, laut und offen zu bekennen, dass diese gotteslästerliche Anmaßung ein Irrweg war. Lendenlahme Verteidigungsphrasen hätte man sich ersparen können und sollte sie sich manchmal auch heute noch besser ersparen.

Das alles muß ausgesprochen werden, um jetzt auch die Dinge zu sehen und zu beschreiben, die heute vielen Menschen Angst machen. Wer im öffentlichen Leben wirken und tätig sein will, darf nichts vergessen, sonst könnten wir daraus ja keine Nutzanwendung ziehen. Aber er muß vergeben können. Wer das nicht kann, soll wenigstens schweigen. Es sind auch beide Großparteien dafür eingetreten, dass wir den bloßen Mitläufern des Nazi-Regimes vergeben - weil ein neuer Staat nicht mit altem Haß aufgebaut werden und existieren kann. [...]

Wahlen haben die Eigenschaft, dass sie immer ein Risiko sind für alle diejenigen, die sich daran beteiligen. Das Wesentliche einer Demokratie ist, Wahlergebnisse zu respektieren, auch wenn sie einem nicht passen. Der Demokrat hat zu akzeptieren, dass man Wahlen und Positionen nicht nur gewinnen, sondern auch verlieren kann. Es gibt keine Erbpacht für politische Positionen. Eine radikale Ablehnung eines ungünstigen Wahlergebnisses bringt die Gefahr einer Radikalisierung auch der anderen Seite! [...]

Heute sind wir Herr in unserem eigenen Haus. Das aber ist, bitte, kein Freibrief für Ausgeflippte, Frustrierte und sonstige politisch Abartige, diese Republik, unseren Staat, auch den Staat der arbeitenden Menschen wieder zu gefährden, ihn als Spielwiese für infantile politische Schauspiele zu benützen! Ein dringender Appell an die Männer und Frauen an der Spitze der politischen Entscheidungsträger: Hören wir auf mit dem Ton und den Methoden der letzten Wochen und Monate! Ein Appell auch an die Medien: Heizen Sie die Stimmung nicht noch weiter an!

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung