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Smith-Experte Exenberger: "Die unsichtbare Hand war eine Denkfigur"

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Smiths Werk steht für ökonomische Vernunft, kluge Regulierung der Wirtschaft – und ist keinesfalls ein Plädoyer für egoistisches Verhalten, sagt Wirtschaftshistoriker Andreas Exenberger. Über den Mythos der unsichtbaren Hand, den „positiven“ Eigennutz und historische Missverständnisse.

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Smiths Werk steht für ökonomische Vernunft, kluge Regulierung der Wirtschaft – und ist keinesfalls ein Plädoyer für egoistisches Verhalten, sagt Wirtschaftshistoriker Andreas Exenberger. Über den Mythos der unsichtbaren Hand, den „positiven“ Eigennutz und historische Missverständnisse.

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Das Ausmaß an Finanzkapitalisierung von heute hätte sich Adam Smith nicht ansatzweise vorstellen könne, ist der Innsbrucker Wissenschafter Andreas Exenberger überzeugt. Abgeneigt wäre er ihm aber nicht. Dennoch sähe er als primären Wertschöpfungsträger nach wie vor die menschliche Arbeit, argumentiert Exenberger im Gespräch mit der FURCHE.

DIE FURCHE: Herr Exenberger, Adam Smith wird in der Nicht-Fachwelt vor allem mit der Phrase der „unsichtbaren Hand des Marktes” assoziiert, die liberale Ökonomen stets als Votum für die freie kapitalistische Entfaltung und Grundlage für Wohlstand sehen. Wird man Smith damit gerecht?
Andreas Exenberger:
Nein, ganz sicher nicht. Ganz grundsätzlich hat Smith Wirtschaft als in die Gesellschaft eingebettet betrachtet. Ohne gesellschaftlichen Rahmen funktioniert Wirtschaft für ihn nicht. Die unsichtbare Hand war eine Art Denkfigur, die in dieser Zeit populär war und die auch er aufgegriffen hat.
Es gibt da eine große theoriegeschichtliche Diskussion, was sich für ihn dahinter verbarg – eine Idee griffiger zu machen, oder doch eine Art Gottesglaube. Der Grund aber, warum es in seinem Buch „Wohlstand der Nationen” drinstand, war, dass er stets den Gedanken betonte: es kann in der Ökonomie manchmal auch aus schlechten Motiven etwas Gutes entstehen. Weil man aber nicht versteht, wie dies genau passiert, umschreibt er es mit dem Bild der „unsichtbaren Hand”. Eigentlich ist es also eine Metapher für: „Ich weiß nicht ganz genau, wie es läuft, aber es ist beobachtbar, dass es läuft.“ Doch daraus ein Plädoyer für einen völlig unregulierten Markt abzuleiten, ist ein totales Missverständnis.

DIE FURCHE: Smith zeichnet in seinem Buch „Theorie der ethischen Gefühle“ den Menschen als im Kern gut, weil er etwa einen angeborenen Gerechtigkeitssinn habe, und daher fähig zur Selbstkorrektur sei. Wie weit haben seine Moralvorstellungen seinen Blick auf die Ökonomie geprägt.
Exenberger:
So, wie er Kaufleute seiner Zeit sah. Er schrieb, dass man etwa mit großer Vorsicht jedem Vorschlag zu einem neuen Gesetz begegnen solle, der von den Handeltreibenden selbst komme – denn sie würden stets nur das Eigeninteresse verfolgen. Smith war einer jener Wissenschafter, der nicht nur durch Nachdenken, sondern durch Beobachten zu Erkenntnissen kommt.
Und er stellte fest: Der Mensch ist alles andere als fehlerfrei. Doch seine Schlussfolgerung war: Weniger auf das setzen, was später zur Planwirtschaft wurde, sondern auf die Selbstregulierungskräfte vertrauen. Bei seinen Ideen zum Zurückdrängen von staatlichen Eingriffen ging es immer um den Vergleich zu früher, im Vergleich zu einem stark interventionistischen Staat also, zum ausufernden Merkantilismus. Hinzu kommt: Zu seiner Zeit war de facto nur der Staat ökonomisch übergroß, private Riesenkonzerne gab es damals nicht. Die Monopole der damaligen Zeit wurden zudem vom Staat gesetzt und begünstigt, diejenigen von heute sind aus dem Marktprozess entstanden, gerade wegen unzureichender Regulierung.

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