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Neues gutes Recht

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Es ist ein großes Ereignis, in seiner Tragweite und seiner Bedeutsamkeit für die Allgemeinheit vielleicht noch nicht überall völlig erkannt, daß mit dem jüngsten Werk unserer Gesetzgebung sich das Sozialrecht des Landarbeiters in das große System unserer sozia.lpolitischen Ordnung einreiht. Das neue Landarbeitergesetz ist die würdige Ergänzung einer österreichischen Legislatur, die nicht zum ersten Male durch ihre Aufgeschlossenheit für zeitgerechte Erfordernisse anderen Ländern vorausschreitet. In diesen Blättern ist schon auf wesentliche Bestimmungen hingewiesen worden, so, daß die Arbeitszeit eine gebührliche Herabsetzung erfuhr, der Urlaub den der Beschäftigten in Gewerbe und Industrie gleichgestellt und auch bezüglich der Betriebsvertretung die Bestimmungen analog dem Betriebsrätegesetz normiert wurden, natürlich in der Weise, daß dadurch nur die läridlichen Großbetriebe betroffen werden, die über 20 familienfremde Arbeitskräfte beschäftigen. Eine nicht unwesentliche Bedeutung kommt auch jenem Abschnitt des Gesetzes zu, der vom Lehrlingswesen spricht. Dadurch wird die Landarbeit als Facharbeit anerkannt und somit das Berufsethos und die soziale Stellung des Standes mit Gebühr betont.

In Österreich sind in der Landwirtschaft 1,539.000 Personen tätig. Aus diesem Personenkreis werden von dem Gesetz 453.000 Betriebsinhaber und 377.000 familienfremde Arbeitskräfte berührt. Von den verbleibenden 696.000 familieneigenen Kräften werden gemäß dem neuen Gesetz die Geschwister des Betriebsinhabers herausgenommen und ebenfalls zu den familienfremden Arbeitskräften gerechnet.

Es wäre unrecht, zu verkennen, daß die Einhaltung des Gesetzes vom Bauernstand große Opfer fordert. Der Gesetzgeber hat sich hier keiner Täuschung hingegeben und machte sich in den 33 Ausschußsitzungen, die er dem am 26. März 1947 im Nationalrat eingebrachten Entwurf und den beiden vorausgegangenen Initiativanträgen der zwei großen Parteien widmete, seine Aufgabe nicht leicht. Natürliche Gegensätze waren zu überwinden, und wie naheliegend, auch verschiedene parteipolitische Auffassungen. Aber über allem stand die Erkenntnis für die gebieterische Notwendigkeit der Reform. An der eingerissenen Landflucht müßte die bäuerliche Wirtschaft verdorren, an ihr hängt der Bestand eines gesunden Bauernstandes und ein wesentlicher Teil der Nahrungsmittelversorgung unseres Volkes, damit aber auch unserer staatlichen Eigenständigkeit und der Behauptung unserer Unabhängigkeit als lebensfähiges Land. Diese Argumente haben denn auch ausgereicht, alle Auseinandersetzungen bei der Beratung des Gesetzes abzustimmen, auf Sachlichkeit, soziale Gerechtigkeit und die Lebensgebote unserer Heimat.

Dieses moderne Arbeitsrechtsgesetz setzt noch nicht den Schlußstein zu der gesellschaftlichen Gleichstellung der Land- und Forstarbeiter. Im Parlament liegen schon seit einiger Zeit zwei Regierungsvorlagen, von denen eine auf die Erstellung der Grundsätze für das landwirtschaftliche Siedlungswesen abzielt, ein Gesetz, das Maßnahmen erstrebt zur Verbesserung der Bodenbesitzverteilung, wo diese sich als notwendig erweist, und zur Bekämpfung der „Höhenflucht” durch die Erhaltung der landwirtschaftlichen Siedlungen im Bergland.

Die andere Vorlage bezieht sich auf _ die Schaffung eines Bundesgesetzes über die Errichtung eines Fonds zur Förderung der Seßhaftmachung land- und forstwirtschaftlicher Dienstnehmer. Erzielt wird die Förderung des Landarbeiterwohnungsbaues, Schaffung neuer Landarbeiterwohnungen, wie auch die Verbesserung bestehender Wohnungen und die Erwerbung von kleinem Eigengrund. Das Fondsvermögen soll durch Beiträge der land- und forstwirtschaftlichen Dienstgeber und der Dienstnehmer, ferner durch Beiträge des Bundes und der Länder gebildet werden. Die Fondshilfe kann in Anspruch genommen werden von Dienstgebem für den Bau oder die Verbesserung von Werkwohnungen, von Dienstnehmern für die Errichtung von Eigenheimen, für die Verbesserung von Wohnungen oder zur Erwerbung von Eigengrund.

Beide Gesetzesvorlagen werden sehr wahrscheinlich noch vor Jahresfrist im Parlament verabschiedet werden.

Möge sich nun die Hoffnung erfüllen, daß diese Gesetzgebung imstande ist, die Landslucht zu dämmen und dazu beizutragen, daß nun, nach wesentlicher Erfüllung der materiellen und gesellschaftlichen Forderungen, die der Stand der Land- und Forstarbeiter bisher zu stellen Berechtigung hatte, das Erkennen aufleuchtet: die Arbeit in Haus und Hof, auf Acker und Wiese, im Wald und auf der Bergweide — gleich, ob Eigentum oder nicht, ist Dienst an einem Stück Heimat, einem Stück Vaterland —, sie bedeutet nicht ein Knecht- und Magdsein, sondern ehrenvolle Leistung im harten, aber würdigen Kampf um den Bestand unseres Volkes und die Freiheit unseres Landes.

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