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Julia von Heinz über "Und morgen die ganze Welt": Gewalt – Mittel zum Zweck?

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Die Regisseurin Julia von Heinz über ihr vielgelobtes Antifa-Drama „Und morgen die ganze Welt“, das nun beim Streamingdienst Netflix anläuft.

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Die Regisseurin Julia von Heinz über ihr vielgelobtes Antifa-Drama „Und morgen die ganze Welt“, das nun beim Streamingdienst Netflix anläuft.

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Junge Menschen, die sich selbst finden wollen, machen dabei unterschiedliche Phasen durch. Manche werden introvertiert und zurückgezogen, manche schreien ihren Unmut über allerlei Umstände in die Welt hinaus. Zur zweiten Gruppe gehört die 20-jährige Jus-Studentin Luisa (Mala Emde), die sich in „Und morgen die ganze Welt“ einer linken Kommune anschließt und mit viel Aktionismus in die Antifa-Szene eintaucht. Dort muss sie sich bald die Frage stellen, wie weit sie für ihre Überzeugung zu gehen bereit ist – schließlich stehen auch gewaltsame Aktionen auf dem Plan der Kommune.

Die deutsche Drehbuchautorin und Regisseurin Julia von Heinz („Ich bin dann mal weg“) befasst sich in ihrem Drama mit der Frage, wie gewaltbereit die Jugend ist und wie sehr das in ihren Augen gerechtfertigt ist. Und: Wie bewusst ist man sich, dass Gewalt auch Gegengewalt hervorrufen kann, vor allem bei den rechten Gegnern, die vor nichts zurückschrecken?

„Und morgen die ganze Welt“, ab 23. April auf Netflix zu sehen, feierte seine Premiere beim vergangenen Filmfestival von Venedig, wo die FURCHE mit der Regisseurin sprach. Der Film wurde von Deutschland auch für den Auslands-Oscar eingereicht.

DIE FURCHE: Frau von Heinz, inwieweit speist sich Ihr Film aus Erlebnissen, die Sie selbst in Ihrer Jugend erlebt haben?
Julia von Heinz: Ich habe mich in meiner Jugend selbst einer antifaschistischen Initiative angeschlossen, nachdem Neonazis meine Geburtstagsfeier in den Bonner Rheinauen überfielen – damals wurde ich gerade 15, und das Ereignis hat mich sehr geprägt. Die 1990er Jahre sind natürlich nicht die Gegenwart, aber der Film ist angelehnt an das, was ich damals erlebt habe. Ich habe das für den Film natürlich stark verdichtet, denn sonst funktioniert das dramaturgisch nicht. Viele Dinge, die mir passiert sind, habe ich zugespitzt und auch zeitlich geraffter dargestellt. Was Luisa in zwei Filmstunden widerfährt, habe ich in mehr als zehn Jahren erlebt. Aber nichts im Film ist wirklich nur erfunden.

DIE FURCHE: Inwieweit hat sich die Demonstrationskultur im Vergleich zu den 1990er Jahren geändert? Demonstriert wird ja wieder sehr viel heutzutage.
von Heinz: Das stimmt. Ich sehe, dass die Gesellschaft wieder politisch aktiver wird, und das hat sicherlich auch mit dem Ausnahmezustand zu tun, in dem sich die Welt seit über einem Jahr befindet. Linke Bewegungen haben mehr Zulauf, ob es sich dabei nun um „Black Lives Matter“ oder die Klimademos handelt, und mich freut das sehr. Die jungen Leute spüren, dass es um ihre Zukunft geht. Aber es ist offener als in den 90er Jahren. Die Antifa war damals viel straffer organisiert, es gab viele Aktionen, die komplett durchgeplant waren. Heute funktioniert die Organisation viel schneller, flexibler und dank Social Media auch viraler.

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