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Totentanz der Enttäuschten?

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Schon in den Wochen vor dem großen Wahlsieg de Gaulles im vergangenen Herbst war der Tenor der OAS, der, von Algerien übergreifend, Frankreich monatelang mit Sprengstoffanschlägen, Morden, Brandstiftungen und Banküberfällen in Angst und Schrecken gehalten hatte, deutlich abgeklungen. Dank einer systematischen und erfolgreichen Arbeit der Polizei wurden in allen Teilen des Landes sehr viele aktive Widerstandsgruppen zerschlagen, ganze Tonnen von Waffen und Munition sichergestellt, tausende Aktivisten in die Gefangnisse gesperrt und ihre prominentesten Führer teils zum Tode, teils zu langjährigen Freiheitsstrafen verurteilt.

Der gescheiterte Versuch, den Staatschef im Pariser Vorort Petit-Clamart am 22. August 1962 durch einen wohlvorbereiteten Feuerüberfall umzubringen, wurde — nach der raschen Verhaftung der direkt beteiligten Attentäter — allgemein als die Apotheose, als das letzte Kapitel des aussichtslosen Kampfes der Geheimarmee gewertet. Er hatte nach der endgültigen Aufgabe der französischen Machtposition in Algerien offensichtlich jeden Sinn verloren. Und so erscheint auch der jetzt über die Bühne laufende Prozeß gegen den Oberstleutnant Bastien-Thiry und seine Mittäter, die den Mordanschlag gegen General de Gaulle vorbereiteten und durchführten, den meisten Beobachtern wie ein wirklichkeitsferner Rückgriff in eine zwar nicht allzu weit zurückliegende, aber historisch überwundene Vergangenheit.

Um es gleich vorwegzunehmen: Wir glauben, daß es zumindest verfrüht ist, anzunehmen, daß die französische Rechtsopposition — mag sie auch, organisatorisch gesehen, schwere Schläge erlitten haben — endgültig die Flinte ins Korn geworfen habe. Es gibt eine millionenstarke Minderheit, die der Politik des französischen Staatschefs ein kompromißloses Nein entgegensetzt. In ihren Reihen gibt ei nach wie vor Fanatiker, von blinden Haß besessene Rachegeister, die -ohne jede Hoffnung, das Rad der Geschichte zurückdrehen zu können -nur an die Sühne für den vermeintlichen Verrat denken und von einerr mystisch unterbauten „Tyrannenmord träumen. Die Tatsache, daß es siel hier vielfach um pathologische Erscheinungen, um „illuminis“ (wi< man sie in Frankreich nennt) handelt vermindert keineswegs die Gefahr, dii sie für de Gaulle und die Fünfte Re publik begeuten. Bastien-Thirys hem mungslose Angriffe gegen den Staats chef vor dem Tribunal im Fort vot Vincennes sind fraglos dazu geeignet gleichgesinnte Fanatiker auf den Plai zu rufen — das zerschlagene neu&#171; Attentat der letzten Tage bestätigte e nur zu deutlich.

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