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Lib-Lab in Osterreich?

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Tony Blair heißt also der neue britische Premierminister. Sein Wahlerfolg müßte auch in der politischen Öffentlichkeit Österreichs Nachgedanken auslösen. Gewiß war es zunächst das nicht ungewöhnliche Phänomen, daß die britischen Wähler mehrheitlich die Zeit für einen Wechsel für gekommen hielten. Aber nicht nur das.

In einer Epoche des dramatischen Wandels in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik, der Neuorientierung im Gefolge des Zusammenbruchs der kommunistischen Unrechtsregime und der großen Werteverlagerung ist der Wahlerfolg eines sozialdemokratischen Nachwuchspolitikers in einem großen Land auch ein Signal.

Das Signal aber lautet: Es muß eine Zukunft ohne Staatskapitalismus und ohne Brutalkapitalismus, positiv ausgedrückt: eine Zukunft mit menschlichem Antlitz geben! Der Wahlerfolg der Labour Party bedeutet, daß eine Mehrheit der Wählerinnen und Wähler Großbritanniens eine solche von einer zeitgemäßen sozialdemokratischen Partei erwartet.

Tony Blair hat aus der britischen Arbeiterbewegung, die eine ihrer Wurzeln im eisernen Klassenkampfbewußtsein der walisischen und schottischen Bergarbeiter, eine andere aber im intellektuell-wissenschaftlichen Sozialismus der Fabian Society hat, eine moderne Partei gemacht: wirtschaftsbewußt, integrationsbereit, flexibel und dennoch sozialethisch orientiert. „Lib-Lab" nennt die zeitgenössische Kürzelsprache diese Mischung aus liberalem und traditionellem Labour-Gedankengut. Lib-Lab könnte Zukunft haben.

In Italien versucht diesen Weg heute der Sozialdemokrat Mas-simo D'Alema, der aus dem jahrzehntelang praktizierten Dualismus von Christdemokratie kontra Kommunismus einen Ausweg suchte. Ob das italienische Experiment gelingen wird, wissen wir noch nicht. In Deutschland unternimmt die SPD bei der nächsten Bundestagswahl einen neuen Anlauf, um dem Schatten des übermächtigen CDU-Kanzlers zu entrinnen. In Österreich gelingt es seit mehr als einem Vierteljahrhundert SPÖ-Kanzlern, einen solchen Schatten zu werfen. Aber es ist purer Pragmatismus, um nicht zu sagen Opportunismus, der diese Konstellation bis heute mehr schlecht als recht am Leben hielt. Das'Ende ist nah.

In Großbritannien wird ein neuer Anfang gesetzt. Das erinnert daran, daß 1945 die ÖVP nach dem Wahlsieg von Labour in ganz Österreich Plakate mit der Beteuerung anbrachte: „Wir sind Österreichs Labour-Partei". Dabei war der damals über Churchill triumphierende SP-Führer Clement Att-lee kein praktizierender Katholik. Tony Blair ist einer. Man darf gespannt sein, ob das die österreichi sehe Volkspartei aus ihrem politischen Schlummer wecken wird.

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