Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Ein Melonensozialist will das Land erneuern
Der frischgebackene Obmann der britischen Labour Party kommt aus einer soliden bürgerlichen Familie. Er ist jung, charmant, intelligent und wirkt extrem telegen.
Der frischgebackene Obmann der britischen Labour Party kommt aus einer soliden bürgerlichen Familie. Er ist jung, charmant, intelligent und wirkt extrem telegen.
Sein Vater war Rechtsanwalt und ein braver Tory. Der junge Tony besuchte eine privilegierte Elite-Schule und begann seine Bilderbuchkarriere in Oxford.
Der große Hoffnungsträger der Labour Party ist ein moderner, gemäßigter Politiker. Er ist ein Her- aüsforderer sowohl für die Konservativen als auch für die Liberaldemokraten, denn er verkörpert die magische Kraft der Mitte. Das Steinzeit- Image einer anti-individualistischen Gewerkschaftspartei ist völlig passe. Ein Mann geht seinen Weg - den Weg des kontinentalen Nadelstreifsozialdemokraten mit britischem Schirm-, Charme- und Melonensozialismus.
Für Blair geht's jetzt los, und es geht ums Ganze. Wenn Labour die nächste Wahl verliert, ist sie nur mehr eine Fußnote in den Geschichtsbüchern des 20. Jahrhunderts.
Die Regierung Majors wirkt fantasielos, ist pannenanfällig und gesagt von peinlichen Skandalen, hair hat gute Chancen mit seiner ’arole, das Land zu erneuern, auch in konservativen Hochburgen gut anzukommen. Viele sind enttäuscht von der Wohnungspolitik und Steuerpolitik der Konservativen.
Blair will stolz auf sein Heimatland sein. Seine Vision basiert auf einem christlichen Sozialismus, der tiefe Wurzeln in der britischen politischen Kultur hat. Er ist mit einer Katholikin verheiratet und legt viel Wert auf die Rolle der Familie in der Gesellschaft. Sein intaktes Familienleben bildet einen Gegensatz zu manchen Konservativen, die die Familie zwar in den Vordergrund stellen, im Hintergrund ’ aber eine Freundin haben.
MEHR SICHERHEIT
Blair will mehr Disziplin in den Schulen und fordert höhere Standars und die Verantwortlichkeit der Eltern. Er will die Straßen sicher machen für ältere Leute, unterstützt mehr Ruhe und Ordnung, um gegen Kriminalität und Drogen zu kämpfen. Der Labour-Chef muß ein geschicktes Doppelspiel entwickeln, um die Stammwähler in der Partei, die manuelle Arbeiterschaft, auf dem Tandem mit den progressiven Feministinnen der 68er Bewegung zu halten. Seine Gratwanderung hat er schon begonnen mit einer Debatte über alleinstehende Mütter, die schneller zu einer Wohnung kommen als eine Familie. Er wollte solche Singles nicht bestrafen, aber sagte, daß dies keine ideale Situation wäre.
Im Laufe der Zeit könnten Äußerungen dieser Art eher vage und schwammig erscheinen. Blair muß eine lange Strecke bis zur Wahl 1997 bewältigen. Sein Selbstvertrauen ünd Optimismus könnten ein Bumerang sein. Die Wähler haben keine Zeit für Politiker, die die Macht als eine Selbstverständlichkeit annehmen. Vor der letzten Wahl hatte Blairs Vorgänger Neil Kinnock seinen Wahlsieg schon vor dem Wahltag gefeiert.
Blair hat schon reflektiert, ob Downing Street 10 groß genug sei für seine Frau und Familie. Eine Arroganz der Macht wird von den Wählern nicht honoriert. Außerdem sind andere Punkte im Labour Programm wie einr Speisekarte ohne Preisliste - attraktiv, aber teuer.
Der neue Star Blair sollte eine Bemerkung eines Konservativen nicht vergessen: alle politischen Karrieren sind zum Scheitern prädestiniert (Enoch Powell).
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!