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Immer wieder: Verstaatlichung?

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Vor einigen Wochen kam der deutsche Schatzminister Dr. W. Dollinger in die Hochburg der „Verstaatlichten“, nach Linz, und sprach über soziale Privatisierung und Entstaatlichung. Er erntete nach seinem Vortrag in der Handelskammer für seinen Vorschlag auf Entstaatlichung den reichen Beifall hoher Parteiführer. Schön und gut — wenn An-tedlsaktien von Arbeitnehmern übernommen werden können. Ihre Ausgabe zur Kräftigung der betrieblichen Eigenmittel ist begrüßenswert, weil sie neues Blut in die oft stagnierenden Unternehmungen bringen kann. Aber: Können wir es uns bei allen Betrieben leisten, so vorzugehen?

Linz, der Sitz der VÖESt., war nicht gerade der beste Platz für einen solchen Vorschlag zur Trennung von Staats- und Privatkapital.

Just zur -selben Zeit kommt nämlich von Deutschland ein ganz konträres Beispiel, das die Notwendigkeit des Eingreifens des Bundesstaates zum Schutz der deutschen Eisen- und Stahlindustrie an der Ruhr recht dramatisch herausstellt. Vielleicht könnten wir daraus mehr lernen.

Es ist eben kein Geheimnis, daß unsere Rohstoffgrundlagen und Energiequellen von einem politischen Beamtenapparat höchst unfachlich als gegebene Tatsache hingenommen worden sind und nichts getan wurde, um aus dieser Roh-materialikäemime einmal wieder herauszukommen.

Die jährlichen Erz- und Kohleeinfuhren kosten Österreich etwa 3400 Millionen Schilling, das ist etwa soviel, wie die Republik für ihren Holz- und Zelluloseexport vergütet bekommt, oder wofür im Durchschnitt alle Wohnbauten eines Bundeslandes in einem Jahr gebaut werden könnten. Nicht genug — darüber hinaus müssen wir jährlich noch weitere 1600 Millionen Schilling für die Einfuhr von ausländischem Rohöl bezahlen. Für den Bezug des fremden Erdgases dürfen wir wenigstens aus eigenen Mitteln die dafür notwendigen Rohrleitungen liefern. Aber zur selben Zeit wird ein Kohlenbergwerk ums andere zugesperrt, weil kein Absatz zu finden ist. Die Lösungen zu diesen Problemen müssen in erster Linie von den Berg- und Hüttenleuten in Angriff genommen werden. Der Versuch, nur auü Gesetzeswegen Ordnung zu schaffen und dabei lediglich an den Auswirkunigen herumzudoktern, muß immer wieder scheitern, wenn nicht endlich einmal auch den Ursachen zu Leibe gerückt wird. Schließlich übersieht man vor lauter IBV-, IVAG- und ÖIG-Konzepten, daß zum Beispiel unsere nach internationalen Maßstäben zu kleinen Betriebe^ es sich nicht mehr länger werden leisten können, daß jeder seinen eigenen Verkaufs- und internationalen Verteilerapparat, oft sogar unter gegenseitiger Konkurrenz, betreibt.

Es wird nicht zu schwierig sein, das Verkaufsprogramm der österreichischen Eisen- und Stahlindustrie so aufzuteilen, daß künftig alle Zweigleisigkeiten vermieden werden. Mit einem solchen Luxus haben die deutschen Stahlwerke schon längst aufgeräumt, ohne jedoch dabei in Extreme zu verfallen, wie man im ersten Augenblick glaubte, als die Kartellgründung von 31 (einunddreißig) Stahlproduzenten in Deutschland bekannt wurde.

Dabei sollte künftig die Preisgestaltung eigentlich nur die Angelegenheit eines freien Stahlmark-tes sein und nicht etwa Sache des Staates. Zur Sicherung des Stahlabsatzes haben manche Länder in der EWG ihre Stahlwerke schon soweit nach internationalen Grenzen kartellisiert oder mit geheimen Kartellvereinbarungen unter Ausschaltung des internationalen Wettbewerbes koordiniert (Italien und Frankreich), daß von den einstmals freien Wettbewerbsvereanbarungen innerhalb der EWG nur noch der kalte Wettbewerb übriggeblieben ist.

Um in diesem Kampf aller gegen alle nicht ganz unter die Räder zu kommen, bedarf unsere bescheidene österreichische Stahlindustrie ohne Zweifel des vom Bund gewährten Schutzes durah öffentliche Kredite und Preissicherung.

Das System eines freiheitlichen Wirtschaftshandelns kann nur auf einem System der Ordnung begründet sein. Da die gesellschaftliche Ordnung immer komplizierter wird, besteht die Gefahr für eine Stahlwirtschaft im Umbruch, daß man vom gesunden Mittelmaß zwischen individueller Handlungsfreiheit und totaler staatlicher Lenkung leicht abkommen und in Extreme verfallen könnte.

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