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Studentische Rechtsanardiisten

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Er hat Haare, die bis zur Schulter reichen, trägt unkonventionelle Kleidung, sein Zimmer ist mit einer Sammlung von „psychodelischen“ Tanzplakaten geschmückt. Er begeistert sich für den Hippie-Film „Easy Rider“ und bekennt, daß er für die Abschaffung jener Gesetze, die Marihuanarauchen, Schwangerschaftsunterbrechung und pornographisches Schrifttum unter Strafe stellen, eintritt. Er agitiert gegen den Vietnamkrieg und die allgemeine Wehrpflicht und befürwortet die Legalisierung des Glücksspiels und der Prostitution.

So charakterisiert das „Wallstreeet-Journal“ einen Studentenführer an der Stanford-Universität, den 23jäh-rigen Harvey Hukari jr. Radikale Linke? Hippie oder Yippie? Sprecher der militanten „Students for a Democratic Society“ (SDS)?

Weit gefehlt: Hukari ist der artikulierte Sprecher einer seit Herbst letzten Jahres an USA-Hochschulen aktiven rechtsradikalen Studentenbewegung, die sich „Free Campus Movement“ nennt und sich als „Libertarian“, Antithese zu „Liberal“, bezeichnet. Die Bewegung entwickelte sich aus einer Absplitterung von der konservativen „Youth for American Freedom“, der „Konservativen Partei“ nahestehend, die in New York eine nicht unbeträchtliche Wirkung auf die Republikaner ausübt und in der „National Review“ unter dem klugen und witzigen William Buckley jr. so etwas wie ein „jungkonservatives“ Sprachrohr findet. Nach erbitterter fraktionellen Auseinandersetzungen auf der letzten Nationaltagung der YAF zwischen den Traditionalisten und den Libertariern schieden etwa 20 Chap-ters an den Universitäten mit rund 2000 Mitgliedern aus dem Nationalverband aus, ihm nach eigener Mitteilung 51.000, nach dissidentischer kaum mehr als 15.000 Anhänger hinterlassend.

Einer der Initiatoren der Spaltung war ein ursprünglich militant antisozialistisches YAF-Mitglied, das sich dem FBI (Federal Bureau of Investigation) als „undervover“ Agent im SDS angeboten hatte und später, sehr zum Verdruß des Büros als Zeuge im Gerichtssaal,sich von ihnen sehr beeindruckt erklärt hatte und auf der Tagung für „Revolutionierung“ des konservativen Gedankens eintrat. Man verlangte die Absetzung eines Vorstandsmitgliedes, das zur „John Birch Society“ gehörte und verlangte das Ernstnehmen neuer Kultur, Musik, Literatur. William Buchley jr. hat sie, obwohl manche der Dissidenten ihn augenzwinkernd als einen Halbsympathisanten ansehen, in der „National Review“ als „Anarchisten“ statt die „Radikalen“ zu belasten, beschreiben lassen, mit dem spöttischen Zusatz: „Worauf es hinausläuft, ist ein ideologischer ,Trip'. Nach einiger Zeit werden die Studenten heiraten und Kinder haben und — laßt uns hoffen — ihre Kinder veranlassen, sich der YAF anzuschließen!“

Der Exekutivdirektor der „Youth for American Freedom“, R. C. Tea-gue, nimmt die Sezession ernster. Er stellt — wohl nicht ganz mit Unrecht — fest, daß die Libertarians ganz einfach das Bedürfnis der Identifizierung in einer Zeit fühlen, wo die Neue Linke Einfluß gewinnt, und sieht „eine Koalition der radikalen Linken und der radikalen Rechten gegen jede Form von Regierung“ voraus. Er glaubt zu wissen: „Sobald man die kulturellen Formen der man sein Haar lang wachsen läßt, Ist es nur noch ein Schritt dazu, auch ihre Philosophie zu übernehmen!“

Die Bewegung hat offensichtlich noch kein erkenntliches Profil: Man teilt die Antivietnamhaltung der radikalen Linken, nicht ohne von mao-istischer Rhetorik gelangweilt zu sein, man ist im äußeren Auftreten Von ihr so Wenig zu unterscheiden, daß man bei Polizeieinsatz gelegentNeuen Linken übernimmt, sobald lieh die gleichen Prügel wie sie bekommt, man staunt etwa, daß Barry Goldwater, der seinerzeitige republikanische Präsidentschaftskandidat — wenn man von seiner Kriegspolitik absieht — ein Liber-tarianer sei und verlangt — nebenher — Freigabe der Prostitution! Die Rolle des Staatlichen in bezug auf persönliche Freiheit wird, so scheint es, zögernd in Frage gestellt und dabei eine (unbewußte?) Annäherung an „linke“ Positionen etwa in der Frage der Erotik, der Rauschgifte und der Wehrpflicht vollzogen, was gelegentlich darin 7,um Ausdruck kommt, daß man Bücher, Theaterstücke, Filme, die von der „anderen Seite“ kommen, als Bestandteil der „Gegenkultur“ der Jugend fasziniert diskutiert.

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