Keine Chance gegen die etablierten Lobbys

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Mehr Wettbewerb? Ja, aber mit Rahmenbedingungen, fordert der Gesundheitsökonom Christian Köck im furche-Gespräch.

die furche: Wie stehen Sie zur Forderung nach mehr Wettbewerb im Gesundheitssystem?

Christian Köck: Wenn mehr Wettbewerb bedeutet, dass die Rolle des Kunden, in dem Fall des Patienten beziehungsweise Versicherten, eine stärkere wird, dann ist das auf jeden Fall zu befürworten. Das Gesundheitssystem ist derzeit ja dadurch ausgezeichnet, dass es kaum Wettbewerb gibt, die Preise Ergebnisse von Absprachen sind und was noch viel gravierender ist: Es gibt auch keinen Qualitätswettbewerb.

Wenn Sie sich anschauen wie kundenunfreundlich die Strukturen im Gesundheitswesen sind - die langen Wartezeiten in den Ambulanzen, bei den Ärzten. Wenn Sie bedenken, dass Sie über die Qualität der Produkte im Gesundheitssystem überhaupt nichts erfahren können, während über jede Videokassette ausreichend Konsumenteninformationen erhältlich ist. Dann sind das für mich als Ökonomen Hinweise für einen mangelnden Wettbewerb.

die furche: Wie steht es mit den negativen Auswirkungen von Wettbewerb?

Köck: Wettbewerb hat immer eine zweite, negative oder zumindest kritisch zu betrachtende Seite. Denken Sie an den Wettbewerb zwischen den Versicherungen: Diese haben natürlich ein Interesse, für sich die "niedrigen Risiken" herauszusuchen. Dagegen hilft nur - wie bei jedem Wettbewerb, in jedem Sektor der Wirtschaft -, dass die Rahmenbedingungen stimmen müssen. Das bedeutet in diesem Fall, dass Versicherungen niemanden ablehnen dürfen und dass es einen Risikoausgleich gibt. Will heißen: Versicherungen, die eine ungünstigere Risikostruktur haben - diese ergibt sich aus dem Schweregrad der Erkrankungen ihrer Versicherten, nach deren Alter und anderen Gesundheitsfaktoren -, erhalten von anderen Konkurrenten einen Ausgleich.

die furche: Für den Gesundheitswissenschafter Rosenbrock heißt Wettbewerb im Gesundheitssystem vor allem, dass die Kassen nicht in erster Linie um bessere und billigere Versorgung wetteifern, sondern um junge, gebildete und gesunde Versicherte in dauerhafter beruflicher Position?

Köck: Wettbewerb braucht Rahmenbedingungen, wenn diese fehlen, hat Rosenbrock Recht. Doch die Annahme, Wettbewerb im Gesundheitswesen könne völlig ohne Spielregeln passieren, ist unsinnig. Das würden wir ja auch sonst in keinem anderen Bereich der Wirtschaft annehmen.

die furche: Trotzdem fehlt es an den Rahmenbedingungen. Ist die Politik nicht fähig, diese durchzusetzen?

Köck: Richtig, die Politik, in Deutschland genauso wie in Österreich, kann sich gegen die etablierten Interessen und Lobbys im Gesundheitswesen nicht durchsetzen.

die furche: Wer sind diese Lobbys?

Köck: Mit Sicherheit sind das einmal die Ärzte, organisiert in der Ärztekammer, eine Organisation, die in wesentlichen Bereichen - Qualitätskontrolle, andere Finanzierungswege - Veränderungen verhindert. Das zweite Problem ist die Verknüpfung der Interessen der Krankenhausträger mit politischen Interessen. Die Tatsache, dass wir im internationalen Vergleich so viele überflüssige Krankenhausbetten haben, resultiert ja daraus, dass es politisch fast unmöglich ist, ein Krankenhaus zu schließen. Da spielt aber mehr die Arbeitsmarktpolitik als die Versorgungssituation eine Rolle.

Dazu kommt, dass alle Versicherungen im Hauptverband organisiert sind, der dadurch eine enorme politische Macht hat und verhindern kann, dass auch in diesen Bereich so etwas wie Kundenorientierung einzieht. Es ist ja total unverständlich, dass der Hauptverband keinen Finger rührt, um eine verpflichtende Qualitätskontrolle einzuführen. Der Hauptverband könnte doch sagen: Wir zahlen Leistungen nur mehr bei Ärzten oder Krankenhäusern, die sich an umfassenden Qualitätssicherungsprogrammen beteiligen.

die furche: Wie beurteilen Sie die Arbeit von Ärztezusammenschlüssen, sogenannten Health Maintenance Organizations (HMO)?

Köck: Davon halte ich sehr viel, weil ich glaube, dass diese Organisationsform dazu führt, dass die Anbieter (Krankenhäuser, Ärzte) primär kein Interesse zeigen, mehr zu tun als notwendig ist. Hinzu kommt, wie man in Amerika, Skandinavien und Holland sieht, dass HMO's viel für die Qualitätssicherung tun. Und außerdem machen diese Organisationen sehr viel im Bereich der Prävention.

die furche: Im Gegensatz zu Ihnen beklagt Rolf Rosenbrock die niedrigere Behandlungsstandards der HMO's und kritisiert, sie würden tiefer als jede Regierung in die Therapiefreiheit eingreifen.

Köck: So etwas wie Therapiefreiheit kann es ja gar nicht geben. Therapiefreiheit würde heißen, jeder kann machen was er will. Ich glaube, dass nicht jeder machen kann, was er will, sondern jeder darf nur das machen, was - wissenschaftlich nachgewiesen - wirksam und hilfreich ist. Ich glaube, es ist falsch, wenn Versicherungen den Ärzten vorschreiben, was sie tun sollen. Nichtsdestotrotz bin ich der Meinung, dass es gut ist, wenn eine HMO sagt, wir wenden nur Dinge an, von denen nachgewiesen ist, dass sie etwas bringen. Natürlich muss man aber auch in diesem Bereich Rahmenbedingungen und eine staatliche Qualitätskontrolle festsetzen.

die furche: Sie reden Selbstbehalten vor allem aufgrund angeblicher Steuerungseffekten das Wort. Bei der Ambulanzgebühr ist dieser Steuerungseffekt aber bisher ausgeblieben.

Köck: Die Diskussion kann ja nicht sein: Selbstbehalte - Ja oder Nein? Wir haben ja schon Selbstbehalte: Selbstbehalte bei bestimmten Versicherungsgruppen, Rezeptgebühr, Tagsatz im Krankenhaus ... Insgesamt werden 70 Prozent der Leistungen die im Gesundheitswesen in Österreich erbracht werden, öffentlich finanziert , der Rest privat. Das Problem dieser Selbstbehalte ist, dass wir sie in einer Weise anwenden, in der sie keine Steuerungseffekte haben können. Das gilt auch für die Ambulanzgebühr.

Das Gespräch führte Wolfgang Machreich.

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