Schulden machen ist zutiefst unchristlich

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Selbstbescheidung, Beständigkeit, Milde und Selbstzucht. Diese vier Tugenden kennzeichnen christliche Politik.

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Selbstbescheidung, Beständigkeit, Milde und Selbstzucht. Diese vier Tugenden kennzeichnen christliche Politik.

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Eine Bundesregierung an ihrem Programm zu bewerten, wäre einseitig, eine Bundesregierung nach wenig mehr als 100 Tagen zu beurteilen, wäre verfrüht. Trotzdem ist dies ein Zeitraum, um erste Bilanz zu ziehen. Und da gibt es jede Menge an Entscheidungen, die beurteilt werden können. Zweifellos ist aber dieser Zeitraum in erster Linie geprägt von Handlungen, die unter dem gewaltigen Druck der Budgetsanierung gesetzt werden mussten. Österreichs Schulden müssen auf Heller und Pfennig samt Zinsen und Zinseszinsen zurückbezahlt werden, und das Land hat sich verpflichtet, gewisse Kriterien zum Abbau des Budgetdefizits zu erfüllen.

Schulden machen ist zutiefst unchristlich, weil eine Generation auf Kosten der anderen gut lebt. Deshalb könnte man sagen, die Politik der neuen Bundesregierung in den ersten hundert Tagen war von christlichen Grundsätzen geprägt, auch wenn einzelne Maßnahmen den Eindruck einer nicht so christlichen Politik vermitteln. Beispiele dafür sind die Einschränkungen bei den Zivildienern, die Einführung von Selbstbehalten bei Ambulanzbesuchen oder die Erhöhung des Frühpensionsalters.

Aber ist es christlich und sozial, wenn die Zivildiener in den verschiedenen Bereichen als billige Arbeitskräfte bei Profit-Organisationen eingesetzt werden oder wenn wegen jeder kleinen gesundheitlichen Beschwerde nicht der Hausarzt, sondern die hochspezialisierte und somit enorm teure Spitalsambulanz aufgesucht wird? Ist es sozial, wenn das gesetzlich festgelegte Pensionsalter ständig unterlaufen und die Frühpension zum Regelfall wird?

Im Programm dieser neuen Bundesregierung sind die christdemokratischen Werte verankert, die Bundeskanzler Wolfgang Schüssel bei seiner Rede zu Lage der Nation am 15. Mai erneut als gelebte Bergpredigt bekräftigte: Toleranz, die Bewahrung der Menschenwürde, das Bekenntnis zu den Schwachen in unserer Welt, zur Demokratie. Herberge geben, wer auf der Flucht ist, Kleidung geben, wer Nachbar in Not ist, Wärme und Gastlichkeit dem anbieten, der aus der Kälte kommt.

Ein großer Schwerpunkt der neuen Regierung ist die Familie, die als Säule des Gemeinwesens gestärkt werden soll. "Der einzige Maßstab des Fortschritts ist die Schaffung immer umfassenderer und günstigerer Bedingungen für den Bestand und die Entwicklung der Familie als einer wirtschaftlich, rechtlichen, sittlichen und religiösen Einheit", sagte Pius XII. Hier wurde mit dem Familienpaket ein bedeutender Ansatz geschaffen, der in der Verbesserung der Kinderbetreuung seine Fortsetzung findet.

Der frühere Landeshauptmann von Salzburg, Wilfried Haslauer, hat als Kennzeichen einer christlichen Politik vier Tugenden genannt: Selbstbescheidung, Beständigkeit, Milde und Selbstzucht. "Selbstbescheidung" war für ihn das Wissen um die Grenzen des Machbaren, das Streben nach dem richtigen Maß in der Gestaltung des gesellschaftlichen Lebens; "Beständigkeit" bedeutet für den Politiker Verlässlichkeit und Kalkulierbarkeit seiner Entscheidungen; "Milde" verlangt Achtung vor dem anderen, Toleranz als geistige Grundhaltung; "Selbstzucht" verlangt persönlichen Mut und die Einsicht, dass nicht alles der Staat, sondern der einzelne selbst sein Lebensrisiko zu tragen hat. Aber über diesen vier Tugenden muss für jeden christlichen Politiker wie für jeden Christen die Überzeugung stehen, dass keine Partei, keine politische Idee den letzten, den eigentlichen, den tieferen Sinn unseres Lebens vermitteln kann, sondern einzig und allein unser Glaube. Bisher habe ich den Glauben, dass eine von Christdemokraten geführte Regierung ihre Politik nach christlichen Grundsätzen ausrichtet, nicht verloren. Vielmehr hoffe ich, dass dies in Zukunft noch deutlicher sicht- und spürbar wird.

Der Autor, Präsident des österreichischen Gemeindebundes, ist ÖVP-Bürgermeister von Hallwang und Chefredakteur der Salzburger Volks Zeitung.

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