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Barrieren firechte Entwicklung

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Wer die Dritte Welt verkommen läßt, schafft Grundlagen der Instabilität, mahnt Peter Janko- witsch. Haben wir den Süden bereits vergessen?

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Wer die Dritte Welt verkommen läßt, schafft Grundlagen der Instabilität, mahnt Peter Janko- witsch. Haben wir den Süden bereits vergessen?

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Die Relation Nord-Süd hat sich in den letzten dreißig Jahren gründlich verändert - zum Schlechteren für den Süden. Damals ging es um Befreiung von unmittelbarer Herrschaft unter, von heute aus gesehen, doch sehr günstigen Voraussetzungen. In diesen drei Jahrzehnten hat sich jedoch eine mörderische finanzielle Abhängigkeit des Südens entwickelt, im täglichen Leben nicht so greifbar wie der einstige Kolonialismus, in den Auswirkungen noch schlimmer. Organisch verbunden mit der steigenden Verschuldung entwickelte sich die Korrumpierung eines Großteils der lokalen Eliten.

Die Institutionen der Entwicklungshilfe des Nordens stehen vor der Notwendigkeit einer Neudefmie- rung ihres Eigenverständnisses. Überkommene Denkraster halten' allzuhäufig der Auseinandersetzung mit einer komplexen, ständig sich ändernden Wirklichkeit nicht stand. Schließlich ist noch zu bedenken, daß sich die drei Kontinente des Südens keineswegs gleichmäßig und in die gleiche Richtung entwickelten.

Neue Entwicklungspole, die unabhängig von westlicher Bestimmung ihre eigene Dynamik angenommen haben, kristallisieren die asiatischen Länder um sich. In Lateinamerika (siehe Seite 11) geht es häufig mehr um die Verteidigung von Minderheiten gegen gewissenlose einheimische wirtschaftliche Machteliten als noch um globale Entwicklung. Die eigentliche Barriere für eine massive Entwicklung des Kontinents, die Pseudo-Verschuldung, liegt außerhalb der Reichweite jedweder nördlicher Entwicklungshilfe. Der Aus druck Pseudo-Verschuldung ist inso- ferne angebracht, als Fluchtkapital aus diesen Ländern in über die Schulden hinausgehender Größenordnung bei den gleichen Banken liegt, welche diese Staaten im Würgegriff halten.

Während die anderen Kontinente des Südens über alle Widersprüchlichkeiten hinweg eine eigenständige Entwicklung zumindest in Angriff nehmen konnten, sank Schwarzafrika materiell und spirituell auf den niedrigsten Stand seit 50 Jahren. Was die Ursachen betrifft, so muß man dabei gut unterscheiden zwischen den äußeren und den inneren Gründen für diese Negativentwicklung.

FLUCHTGELDER IM WESTEN

Da war vor allem der Kalte Krieg, der moralische und materielle Verwüstungen angerichtet hat. Vom Westen wie vom Osten wurde jeder noch so korrupte Diktator unterstützt, wenn er sich nur als Verbündeter deklarierte. Man denke an einen Sekou Toure (Guinea) oder Mengistu (Äthiopien) auf der einen, einen Mobutu (Zaire) auf der anderen Seite und den Somalier Barre, der die Seiten je nach gebotenem Tarif wechselte. Auch von einigen von ihnen weiß man, daß die Fluchtgelder im Westen gar nicht weit von der Höhe der Staatsschulden liegen.

Dazu kam im Verlauf der siebziger Jahre das Absinken der öffentlichen Moral in der westeuropäischen politischen Landschaft. Konkret bedeutete das für Afrika Frankreichs Finanzierung der Kaiserkrönung des schließlich wegen , Kannibalismus verurteilten Bokassa, gegen Diamantenschatullen für Giscard. Dieser Tage erst haben wir am Beispiel Ruanda die Ergebnisse eines ähnlichen Umgangs mit Afrika durch seinen Nachfolger am Bildschirm beurteilen können. Pikanterweise siegte Mitterrand einst über Giscard als Saubermann durch die Enthüllung von dessen Diamantenappetit.

Parallel zur negativen Entwicklung steigt jedoch der Druck des gesunden Teils der heimischen Bevöl kerung zur Sanierung der Gesellschaft. Äußerlich geht es dabei stets um die Forderung nach demokratischen Verhältnissen. Die können nur selten mit Waffengewalt errungen werden, wie etwa in Ruanda. Die verbleibenden Diktatoren liefern permanent Rückzugsgefechte gegen die Ansprüche der Bevölkerungen nach mehr Demokratie. Aber weiterhin kommt Waffengewalt von Anwärtern auf die begehrte Stellung des Diktators.

Hilfe zur Selbsthilfe hat in Schwarzafrika heute nur insoferne Sinn, als sie lokale Selbsthilfegruppen stärkt. Derartige materiell erfolgreiche Gruppen sind der sicherste Rückhalt für weitergehende demokratische Bestrebungen. Das haben von Weltbank bis EU-Instan- zen wohl alle internationalen Kör perschaften bereits begriffen. Viel wird im Zusammenhang mit öffentlicher' Unterstützung der Entwicklungshilfe von globalen Prozentsätzen an staatlicher Hilfe gesprochen, doch sollte man sich von solchen Zahlen nicht verwirren lassen. Allzuhäufig stehen dahinter bloß Exportfinanzierungen, die zu 80 Prozent im Geberland bleiben, der Rest verschwindet meist ohne praktischen Nutzen im korrupten Verwaltungslabyrinth des Empfängerlandes.

Was konkrete positive Ergebnisse betrifft, so schneidet Österreichs Entwicklungshilfe dort, wo es sich nicht ebenfalls um versteckte Exportsubventionen handelt, verglichen mit den Summen, welche etwa von Deutschland oder Frankreich stolz ausgewiesen werden, um etliches besser ab.

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