Corona - © Foto: APA / AFP / Marco Sabadin

Corona: Wirtschaft in der Doppelmühle

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Der Weltwirtschaft wird es schwer fallen, nach China den Ausfall einer weiteren G20-Nation zu ertragen. Das Corona-Virus trifft vor allem personalintensive Exportunternehmen und damit die Arterien der Volkswirtschaften – vor allem in der EU.

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Der Weltwirtschaft wird es schwer fallen, nach China den Ausfall einer weiteren G20-Nation zu ertragen. Das Corona-Virus trifft vor allem personalintensive Exportunternehmen und damit die Arterien der Volkswirtschaften – vor allem in der EU.

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Es gibt einige Auffälligkeiten in der Aufregung, die sich derzeit um das Corona-Virus (Covid-19) und seiner Verbreitung entfalten. Zunächst: Keine Vogelgrippe und keine Schweinegrippe hat es in den vergangenen Jahrzehnten vermocht, die Weltwirtschaft tatsächlich zu destabilisieren. Ist es diesmal der Fall? Dafür sprechen nicht nur die Flucht von Inves­toren in die Krisenwährung Gold, das seit Montag von einer Höchstmarke zur nächs­ten fliegt, und derzeit über 1700 Dollar pro Feinunze segelt. Es liegt auch an der globalpolitischen und -wirtschaftlichen Situation, die das Virus vorfindet. Denn hier lag schon vor seinem Eintreffen Vieles im Argen. Und umso fruchtbarer verbreitet sich der Schaden.

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Weltweit sind die Unternehmen verschuldet wie nie zuvor, die Staaten haben längst nicht den finanziellen Handlungsspielraum wiedergewonnen, den sie vor der Finanzkrise 2008 hatten. Betroffen sind hier vor allem Unternehmen, die nicht der Finanzbranche angehören – und viele Arbeitsplätze generieren. Ihre Gesamtschulden liegen in der EU laut Eurostat bei 110 Prozent des BIP. Die Banken sind zwar in besserem Zustand, aber bestandene Stresstests alleine können noch keine Volkswirtschaft retten. Das liegt vor allem an der Wirtschaftsstruktur: Europas Wirtschaftsleistung speist sich zu 53 Prozent aus Exporten und je nach
Nation zu etwa 15 Prozent aus dem Tourismus (auch bei den Covid 19-betroffenen Ländern Italien, Spanien, Österreich). Das bedeutet, Europas Volkswirtschaften sind viel mehr exponiert, wenn der Außenhandel und der Tourismus gleichzeitig aufgrund einer Epidemie massive Einbußen erleiden. Im Vergleich dazu: US-Firmen lukrieren 38 Prozent der Erlöse im Außenhandel.

Mit China wurde nun der zweitwichtigste Markt der Weltwirtschaft praktisch über Nacht geschlossen. Wenn ein ähnliches Szenario aufgrund der globalen Ausbreitung von Covid-19 auch in einem anderen Land der G20 erfolgt, kann vermutlich kein Finanzminister und keine Notenbank mehr einen empfindlichen Abschwung auf globaler Ebene verhindern. Dazu setzt sich aktuell die alte Regel durch, dass überall dort, wo Menschen finanzielle Risiken vermuten, in Bedrohungszeiten der Hut zu brennen beginnt. Zunächst geschah das am Wochenbeginn an den Börsen. Und zweitens wird eine Rezession ausgerechnet auf jenen Märkten spürbar, die traditionelle Anzeiger für das Wirtschaftswachstum sind. Vor allem sind das Öl und andere fossile Brennstoffe, sowie Erze und Getreide, Textilien und Rohstoffe für die ­IT-Branche.

Wieder einmal setzt sich die alte Regel durch, wonach dort, wo Menschen Risiko verorten, in Krisenzeiten der Hut zu brennen beginnt. Das beginnt bei Covid-19 an der Börse.

Die globale Wirtschaft kämpft mit einem Minus in der Produktion durch die Betriebsstilllegungen in China. Sie kämpft aber auch mit einem Nachfrageproblem, zunächst in China, aber bei einer Ausbreitung des Virus zusätzlich weltweit. Dieser Trend ist äußerst breit gefächert. Vom Autobauer bis zu seinem österreichischen Zulieferbetrieb, vom Stahlwerk bis zum Spediteur. Hält der Trend an, befinden sich Politiker, Unternehmer und Ökonomen auf Neuland. Denn in den herkömmlichen Lehrmeinungen gibt es entweder eine Nachfragekrise oder eine Krise auf der Angebotsseite. Aber beides kombiniert ist unbekannt. Wenn man sich das Bild leergehamsterter italienischer Supermärkte ansieht, zeigt sich das gleiche Phänomen, trotz einer vordergründigen Knappheit. Wo Menschen sich gezwungen sehen, sich aus Sicherheitsgründen einzubunkern, konsumieren sie in Summe drastisch weniger, die Gastronomie kommt zum Erliegen, vom Tourismus ganz zu schweigen.

Bei allen Negativa gibt es – wenn auch kleinere – positive Paradoxa, was den Medienkonsum betrifft. Die scheinbar uninteressantesten Websites werden in aufgeregten Krisenzeiten zu den nachgefragtesten Informations-Hotspots – weil sie haltbare Information liefern. So etwa das Portal der Österreichischen Gesundheitsagentur AGES.
Die vielleicht beunruhigendste Erfahrung an der Epidemie ist aber, dass die Krankheit und ihre kurzfristigen Konsequenzen alle Aufmerksamkeit konsumiert. Die unmittelbare Gesundheit schlägt auch das Thema langfristige Gesunderhaltung um Längen.

Gleichzeitig mit dem Coronavirus-Berichten veröffentlichte die WHO diese Woche einen Bericht über die Gesundheitserwartungen der Kinder auf diesem Planeten. Kein einziges Land, so der Bericht, habe geeignete Maßnahmen ergriffen, um seine Jugend vor den schädlichen Konsequenzen der Umweltzerstörung, der Klimaerwärmung etc. zu schützen. Dieser Bericht wurde kaum wahrgenommen. Die Konsequenzen seiner Feststellungen werden aber spürbar sein, wenn Covid-19 längst die Schlagzeilen verlassen hat. Und dann könnte man in der Rückschau auf ein weiteres Paradox stoßen. Dass der Wirtschaftseinbruch, den das Corona-Virus auslöste, für Klima und Umwelt positive Folgen hatte, indem er ein nicht nachhaltiges Wachstum bremste.

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