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Chinas Wirtschaft wächst scheinbar unaufhaltsam. Viele der Mittel, mit denen das Wachstum erreicht wird, sind allerdings fatal, wie auf dem Siebten Wiener Globalisierungssymposium gezeigt wurde.

Von einem Wirtschaftswachstum um die zehn Prozent können andere Staaten nur träumen, erreichen werden es die meisten wohl nie. Für China dagegen ist der Traum längst wahr geworden. "China hat sich wie kein anderes Land die Globalisierung zunutze gemacht", schreibt Kurt Seinitz, Leiter der Außenpolitik der Kronenzeitung, in seinem Buch "Vorsicht China!". Er zählt Fakten auf: 80.000 Einkaufszentren gibt es in China - nur 15 Jahre nach dem ersten. In der Stadt Datang werden jährlich neun Millionen Paar Socken erzeugt - für sechs Milliarden Erdbewohner. 27 Prozent der Ex-und Importe Chinas sind bereits High-Tech-Produkte. Es geht also steil bergauf mit dem Land, in dem ein Fünftel der Weltbevölkerung lebt. Gleichzeitig sind 80 Prozent der Menschen auf dem Land ohne Krankenversicherung, leben 25 Millionen Chinesen ohne Strom, arbeiten hundert Millionen Chinesen für weniger als zwei us-Dollar am Tag.

China: Chance und Gefahr

Auch beim Siebten Wiener Globalisierungssymposium, das vergangene Woche unter der Schirmherrschaft von Ex-Vizekanzler Erhard Busek und dem Präsidenten des efta-Gerichtshofes, Carl Baudenbacher, in der Wiener Börse stattfand, war die Entwicklung Chinas Thema. Jan-Willem Blankert von der Generaldirektion Außenbeziehungen der Europäischen Kommission prognostizierte, dass Chinas Wirtschaft bald stärker sein werde als die der usa. "Es zahlt sich für Unternehmen aus, in China zu investieren. Das zeigen auch die Zahlen: 60 Milliarden Euro wurden im Vorjahr aus dem Ausland in China investiert." Mit dem Engagement in China seien aber auch zahlreiche Probleme verbunden, warnt er. So gebe es zwar Gesetze für den Umgang mit geistigem Eigentum, "diese werden aber von lokalen Politikern sehr liberal interpretiert." (Zu den den Schwierigkeiten mit Patentrechten und Raubkopien siehe unten). Zudem sei der Zugang zu ordentlichen Gerichten nicht in allen Bereichen gewährleistet, was ausländischen Investoren auch Probleme bereite. Fehlende Menschenrechte und enorme Umweltzerstörung seien weitere Schwierigkeiten.

Vor allem das Ausmaß der Umweltverschmutzung lässt sich im Buch von Kurt Seinitz nachlesen: "Die Schwefeldioxid-Emission liegt pro Einheit des GDP (gross domestic product, Bruttoinlandsprodukt; Anm.) 70-fach über Japan und 60-fach über den usa. 25 Prozent des Kohlendioxid-Ausstoßes der Welt kommen aus China." Und das, obwohl es derzeit gerade einmal 25 Millionen Autos gibt - bis im Jahr 2050 sollen es 800 Millionen sein. Das nächste Problem, das auf China zukommen wird, ist sein enormer Energiebedarf. China verbraucht derzeit zwölf Prozent des Welt-Energiebedarfs, aber die Zuwachsraten sind laut Seinitz viermal höher als im Rest der Welt. China verbraucht pro erwirtschaftetem Dollar viermal mehr Energie als die usa und zwölfmal mehr als Japan. Stillen soll den Energiehunger die Nuklearenergie: Zu den derzeit elf Atomkraftwerke sollen jedes Jahr zwei bis drei dazukommen, bis 2020 soll die Atomstromkapazität versechsfacht sein. Und weil das trotzdem nur sieben Prozent des Bedarfs decken wird, werden weiterhin Öl und vor allem Kohle herhalten müssen. Tausende tote Bergarbeiter in den unzähligen gefährlichen, teils illegalen Kohlebergwerken sind der Preis dafür, wie überhaupt auf Arbeitssicherheit kein Wert gelegt wird: 120.000 Tote und 700.000 Verletzte weist die offizielle Vorjahresstatistik der Arbeitsunfälle aus.

Und dennoch, schreibt Kurt Seinitz: "Chinas Führung spekuliert bislang bei ihrer Gratwanderung erfolgreich auf den nationalen Konsens, den Aufstieg des Landes nicht aufs Spiel zu setzen. Die chinesische Bevölkerung erlebt heute im Vergleich zu den letzten 150 Jahren chinesischer Geschichte ein - relativ - goldenes Zeitalter." Trotz aller Mühsal könne etwa ein Wanderarbeiter in der Stadt manchmal in einem Monat so viel verdienen wie am Land in einem halben Jahr.

Arbeitssklaven schuften

Die Präsidentin der Österreichsektion der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (igfm), Katharina Grieb, sieht das Wachstum Chinas allerdings in erster Linie vor dem Hintergrund fehlender Menschenrechte in der größten Diktatur der Welt: Den Schätzungen ihrer Organisation zufolge werden in Arbeitslagern und Gefängnissen etwa 20 Millionen Chinesen zur Arbeit gezwungen, erläuterte sie auf dem Globalisierungssymposium. "Diese Menschen, die zum Großteil ohne Prozess eingesperrt wurden, arbeiten bis zu 18 Stunden täglich, sieben Tage in der Woche", sagt Grieb. Dazu kämen Folterungen und sogar Morde, oft durch Aufseher. Das allermeiste davon bleibe ungesühnt. "Nur dank dieser Millionen Arbeitssklaven war der chinesische Aufschwung durch die Herstellung von Billigstprodukten überhaupt möglich."

Den Eindruck, dass die chinesische Bevölkerung all das hinnehme, will sie jedoch ausräumen. "Das tut sie nicht. Im Vorjahr gab es 70.000 kleinere Aufstände." Und irgendwann, hofft sie, werden diese Aufstände zum Erfolg führen. "Vor zwanzig Jahren hätte auch niemand geglaubt, dass die UdSSR untergehen wird. Vielleicht dauert es auch bei China nicht mehr lang."

Zur Internet-Zensur in China siehe Seite 17.

Buchtipp:

VORSICHT CHINA!

Wie das Reich der Mitte unser Leben verändert

Von Kurt Seinitz

Ecowin Verlag, Salzburg 2006

205 Seiten, e 22,-

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