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Naturrecht als Grundlage

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Nach der Annahme der Deklaration der Menschenrechte hat der Wirtschiafts- und Sozialrat die Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen aufgefordert, Vertragsentwürfe auszuarbeiten, um die Empfehlungen der Deklaration in Vertragspflichten umzugestalten. Nach einer langen und mühevollen Arbeit dieser Kommission ist es nun gelungen, dieses große Werk durch die Annahme der beiden Abkommen zum Abschluß zu bringen, die noch klarer als die Deklaration die natur-rechtliche Grundlage der Menschenrechte herausarbeiten, da sie betonen, daß sich diese aus der dem Menschen innewohnenden Würde ergeben. Jedes dieser Abkommen nennt sich nicht Konvention, sondern „Covenant“. Dieser Ausdruck soll den beiden Dokumenten den Charakter der Feierlichkeit geben. Denn Covenant war ursprünglich der Ausdruck für das Bündnis, das die presbyterianischen Schotten untereinander zur Aufrechterhaltung ihres Glaubens im Kampf gegen die englische Hochkirche abgeschlossen haben. Auf Vorschlag des amerikanischen Präsidenten Wilson wurde dann auch für die Völkerbundsatzung der Ausdruck Covenant gewählt.

Bereits die schon erwähnte Tatsache, daß für diese Abkommen auch jene Staaten gestimmt haben, die sich 1948 noch der Stimme enthalten hatten, zeigt uns die Wandlung, die sich in den sozialistischen Staaten seit dem Ende der stalinistischen Periode vollzogen hat. Diese waren zwar von allem Anfang an bereit, für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte der Menschen einzutreten, die das erste der beiden Abkommen verkündet, es dauerte aber lange, um auch die klassischen Freiheitsrechte in der Menschenrechtskommission durchzusetzen. Jenes Abkommen umfaßt das Recht auf Arbeit, auf angemessene Arbeitsbedingungen, auf Bildung von Gewerkschaften, auf soziale Sicherheit, auf einen angemessenen Lohn, auf Gesundheitspflege, auf Erziehung, Bildung und Teilnahme am kulturellen Leben, ohne Unterschied von Rasse, Farbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer Uberzeugung, nationaler oder sozialer Abstammung, Eigentum oder Geburt. Von besonderem Interesse ist Art. 10, der die Familie als natürliche und grundlegende soziale Gruppe bezeichnet, sowie Art. 13, der der Erziehung die Aufgabe stellt, die menschliche Persönlichkeit zu entwickeln und ihren Sinn für die menschliche Würde und die Achtung der Menschenrechte zu wecken. In diesem Sinne sagt schon Pius XII. in seiner Weihnacbtsbot-schaft von 1942. daß es das Ziel allen gesellschaftlichen Lebens sei, die Persönlichkeitswerte des Menschen

zu entfalten. Art. 13 anerkennt auch die Freiheit der Eltern, für die religiöse und moralische Erziehung ihrer ihren Überzeugungen, zu sorgen. Dieses Abkommen erhebt ferner die schon bisher anerkannte moralische Pflicht, den Entwicklungsländern wirtschaftliche und technische Hilfe zu leisten, zur Rechtspflicht.

Viel schwieriger war es, eine Einigung über das zweite Abkommen, das die bürgerlichen und politischen Rechte enthält, zu erzielen. Es darf daher mit Freude festgestellt werden, daß dieses Abkommen alle jene Rechte anerkennt, die auch in der europäischen Konvention für Menschenrechte von 1950 aufgezählt sind. Dazu gehört das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person, auf ein ordnungsgemäßes richterliches Verfahren, auf Menschlichkeit und Achtung der Würde der menschlichen Person im Falle eines gesetzmäßigen Freiheitsentzuges, auf Bewegungsfreiheit, auf Glaubens- und Gewissensfreiheit, einschließlich des Rechts zur öffentlichen Religionsausübung innerhalb der durch die öffentliche Ordnung gezogenen Grenzen, sowie auf Vereins- und Versammlungsfreiheit, ebenfalls natürlich innerhalb bestimmter Grenzen. Art. 23 wiederholt den im Art. 10 des erstgenannten Abkommens ausgesprochenen Grundgedanken, daß die Familie die natürliche und fundamentale Grundlage der Gesellschaft bildet und daher vom Staat geschützt werden muß. Art. 24 geht sogar über die europäische Konvention. für Menschenrechte hinaus, da er den besonderen Schutz aller Kinder sicherstellt. Neu gegenüber der genannten Konvention ist auch Art. 20, der jede kriegerische Propaganda sowie Aufreizung zum nationalen, rassischen oder religiösen Haß verbietet. Schließlich anerkennt dieses Abkommen das von der europäischen Konvention für Menschenrechte nicht erwähnte Recht der ethnischen, religiösen und sprachlichen Minderheiten, in Gemeinschaft mit den anderen Mitgliedern dieser Gruppen ihre Kultur, Sprache und Religion zu pflegen.

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