6561711-1948_52_02.jpg

Deklaration der Menschenrechte

19451960198020002020

"Querschnitte"

19451960198020002020

"Querschnitte"

Werbung
Werbung
Werbung

Gute hundertfünfzig Jahre, nachdem zum ersten Male die Trommeln für Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit gerührt wurden, hat sich die Menschheit entschlossen, allgemeingültige Bürgerrechte für die ganze gesittete Welt in Gesetzesform zu bringen. Diskussionsforum war dafür die UNO. Die vom Sozialausschuß der Vereinten Nationen angenommene Entschließung fängt mit den aufschlußreichen Sätzen an:

„Alle Menschen sind frei geboren und haben gleiche Würde und gleiche Rechte. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen in brüderlichem Geist miteinander leben. Jedermann soll alle Rechte und Freiheiten, die in dieser Deklaration festgelegt sind, ohne Rücksicht auf Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Religion, politische oder andere Überzeugung, Eigentum, Geburt, nationale oder soziale Stellung ausüben dürfen.”

Nach dieser Präambel werden alle jene Rechte, die dem Individuum gebühren, im einzelnen aufgezählt. Im besonderen das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit, das Recht auf faire Prozeßführung, die Wahrung des Hausrechts und des Briefgeheimnisses, das Recht auf Freizügigkeit, so daß jedermann sein Land verlassen kann, das Recht auf Gedanken-, Gewissens-, Meinungsund Versammlungsfreiheit und vieles andere mehr. Mit 29 gegen 0 Stimmen bei 7 Stimmenenthaltungen wurde die Resolution angenommen.

Und was geschieht jetzt? Hat sich in diesen letzten acht Tagen seit der Annahme der „Menschenrechte” etwas geändert? Von der Warte des kleinen Österreichs aus ist eine Veränderung leider noch nicht zu erkennen. Weder wurden die ohne Prozeßführung außer Land Verschleppten freigelassen, noch hat die Zensur aufgehört. Dabei sind bei uns die Verhältnisse noch günstig gegenüber denen unserer östlichen und nördlichen Nachbarstaaten.

In Ungarn wird nicht nur eine, sondern werden alle Religionen verfolgt. Die Rede von Hausrecht und Briefgeheimnis ist in den Volksdemokratien Schall und Rauch. Die auswandern wollen, werden zurückgehalten, die gerne bleiben möchten, werden im Kampf um Leben und Tod über die Grenzen gehetzt. Schon der bloße Gedanke, der dem herrschenden Regime widerspricht, ist mit schwerer Strafe belegt. Über Versammlungs- und Meinungsfreiheit wird nicht mehr diskutiert.

Dieser Zustand lastete nicht nur auf Europa. In allen Erdteilen werden Menschen wegen ihrer Rasse, ihrer Hautfarbe, ihrer Religion oder wegen ihrer Überzeugung verfolgt. Man darf sich nicht wundern, wenn Kritiker diese Resolution als Ausgeburt zynischer Verschleierung bezeichnen. Und dennoch: vor dem Plenum der Welt als die Grundrechte des Menschen verkündet und aufgeschrieben, ruht dies Gesetz im tiefsten Fundament auf jenem Naturrecht, das den Erdgeborenen von dem Lenker aller Dinge schon in die Wiege gelegt ist. Und eines Morgens beginnt für die Schuldigen, die es antasten, der Tag des Gerichts.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung