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Startlödier für die Zielgerade

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Nach der ersten Woche der Budgetdebatte im österreichischen Nationalrat, der letzten großen parlamentarischen Konfrontation der Parteien vor den Nationalratswahlen, läßt sich erkennen, daß die sozialistische Taktik neu ist. Die ÖVP ließ sich von der „sanft“ gewordenen SPÖ freilich nicht einschläfern; gab sie sich auch nicht so forsch, wie dies manche wollten, so gelang es dem ÖVP-Klub doch, Leben in die Debatte zu bringen.

Den Anlaß und das Material zu offensivem Vorgehen lieferte die SPÖ selbst: den Konflikt Kreisky— Pittermann, der überdeutlich in der Debatte des ersten und zweiten Tages über den ORF durchschlug, und das sozialistische Finanzierungskonzept für die SPÖ-Programme. Der Finanzierungsplan war es, der ÖVP-Abgeordneten immer wieder die Möglichkeit gab, auf die Steuererhöhungswünsche der SPÖ hinzuweisen und vor allem den österreichischen Mittelstand zu alarmieren. Etwas theatralisch steigerte sich der ÖVP-Abgeordnete Kem sogar bis zur Behauptung, man müsse so lange von einem bis zum Staatsbankrott reichenden Drei-Stufen- Plan der SPÖ sprechen, solange die SPÖ kein wirkliches Finanzierungskonzept vorlege.

In dieser Budgetdebatte kam die positive1 Vierjahresbilanz, welche die ÖVP-Abgeordneten für die bislang behandelten Ressorts zogen, besser zum Tragen als die Erfolgsberichte der vergangenen Budgetdebatten. Denn: Der zum unterkühlten Debattieren verhaltene SPÖ-Klub konnte die ÖVP im Gegensatz zu den ver- gangeuen Jahren nicht in .die Defensive drängen.Und die beinharte, in manchen Bereichen brutal über drehte Polemik der freiheitlichen Fraktion konnte die massiven SPÖ- Angriffe früherer Budgetdebatten nicht ersetzen.

Chance der FPÖ

Die ganze Woche lauerte die FPÖ auf eine Chance, dem österreichischen TV-, Hörfunk- und Zeitungsleserpublikum zu demonstrieren, daß sie die Partei sei, die der Regierung ganz genau auf die Finger schaue. Die Chance erblickte dann der FPÖ-Abgeordnete Zeillinger in der Debatte zum Kapitel Landesverteidigung. Als Minister Prader sich dagegen verwahrte, Soldaten mit Mördern gleichzusetzen, hakte Zeillinger ein und provozierte einen Wirbel im Hohen Haus, obwohl aus der Prader-

Aussage klar erkennbar war, daß nicht Zeillinger gemeint war.

Die Rundfunkdebatte im Nationalrat zeigte einen wiedererstarkten SPÖ- Fraktionschef Pittermann, der seinen Parteivorsitzenden und ORF-Auf- sichtsratsvorsitzendenstellvertreter Kreisky durch eine geschieht gesteuerte Debatte ziemlich deutlich in die Klemme brachte.

SPÖ-Schattenkabinett tot?

Spätestens in der Vorwoche wurde klar, daß Kreisky weder im SPÖ- Klub noch in der sozialistischen Gewerkschaftsfraktion eine bestimmende Rolle spielen kann. Stark zum Absinken der innerparteilichen Wirksamkeit des SPÖ- Vorsitzenden dürften vor allem zwei Tatsachen beigetragen haben:

• Pittermann war einer derjenigen, welche sich im SPÖ-Parteivorstand heftigst gegen die Veröffentlichung eines Finanzierungskonzepts für die SPÖ-Programme zur Wehr setzten; er warnte vor einer seiner Ansicht nach unnötigen Vergrößerung der Angriffsfläche der SPÖ für den politischen Gegner; die seit dem SPÖ- Parteitag eingetretene Entwicklung verlief so, daß ihm der Großteil der SPÖ-Führung recht gibt.

• Während Kreisky ursprünglich eine Art „Schattenkabinett“ junger, sympathischer Abgeordneter und Experten präsentieren wollte, wurde er durch die innerparteiliche Wirklichkeit eines besseren belehrt. Eine deutliche Sprache in dieser Richtung spricht der Satz Pittermanns, noch keines der SPÖ-Mitglieder der letzten Koalitionsregierung habe erklärt, daß es einer künftigen Regierung nicht angehören werde.

Die kommenden Tage der Budgetdebatte werden zeigen, ob die ÖVP das Format hat, ihren bisherigen Stil im Nationalrat durchzuhalten, und ob es der SPÖ gelingt, ihre innerparteilichen Schwierigkeiten zumindest soweit zu überwinden, daß sie in der Plenumsdebatte des Nationalrates nicht offen zum Ausbruch kommen. Beide großen Parteien und natürlich auch die Freiheitlichen wissen genau, daß diese Budgetdebatte dafür entscheidend sein wird; aus welchen Startlöchern die Parteien in die Zielgerade gehen..

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