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Rodung der Wüste

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Die österreichische Bauernschaft kämpft einen schweren Kampf. Er spielt sich an drei Fronten ab: gegen die allgemeine Krise der Weltwirtschaft, gegen die mechanisierte Großlandwirtschaft der weiten Steppen und gegen die Bauernschaften der landwirtschaftlich besser rationalisierten Länder Europas.

Viele halten den Kampf unserer kleinbäuerlichen Landwirtschaft gegen die technisierte Großlandwirtschaft für aussichtslos, unsere bäuerliche Wirtschaftsform für hoffnungslos veraltet und untergangsreif. Verhält es sich wirklich so? Der technisierte Großbetrieb der Steppe wirtschaftet viehschwach oder vieharm. Er beruht auf Humusraubbau. Der Steppenboden wird dadurch „degradiert“, er zerfällt zu Staub, wird verweht und verschwemmt, zerstört. Der Boden verliert seine wasserhaltende Kraft, riesige Gebiete der Erde verdursten. Von den 430 Millionen Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche der USA sind 85 Millionen Hektar zerstört, unbrauchbar geworden, das ist die 85fache Ackerfläche ganz Österreichs! Nur ein Viertel der landwirtschaftlichen Nutzböden der Vereinigten Staaten ist noch gesund. Ähnliche Nachrichten kommen aus Afrika, Südamerika, Australien. Die Bodenzerstörung hat grenzenlose Ausmaße erreicht. Auch die südrussische Steppe wird von immer häufigeren und schwereren Mißernten heimgesucht.

Durch einen „Bodengesundheitsdienst“ auf der ganzen Welt will man den Schäden dieser „unechten“ Rationalisierung be-

gegnen: die hängigen Fluren sollen in den USA terrassiert werden, die Traktoren nur mehr in den Schichtenlinien pflügen, die Ackerflächen durch Grünlandstreifen, die sich in den Schichtenlinien hinziehen, vor Abschwemmung der Krume geschützt werden; in schweren Fällen wird aufgeforstet — jedenfalls soll auch die Viehwirtschaft ausgedehnt und über den Futterbau die Humusversorgung der Böden verbessert werden. In der Sowjetunion sollen riesige Waldgürtel und zahlreiche Waldstreifen gegen die austrocknenden Winde des Ostens angelegt werden, an die 50.000 Aufstauungen von Bächen und Flüssen oder Teichanlagen sollen das kostbare Naß erhalten helfen■, die bisherige Form der Trockenfarmbewirtschaftung mit ständigen großen

Brachflächen soll durch die Feldgraswirtschaft (mit einem ständigen Wechsel von mehrjähriger Ackernutzung mit mehrjähriger Wiesennutzung) abgelöst werden: ein Beginnen, dessen unerhörte Schwierigkeiten nur der Fachmann ermessen kann.

Alle bisher genannten Maßnahmen zum Schutz gegen die Bodenzerstörung ver-

mögen außerdem nicht jene Windwirkungen zu lindern, die den Boden austrocknen und seiner Kohlensäure berauben. Dagegen hilft nur die seit mehr als einem halben Jahrtausend erfolgreich bewährte Pflanzung von Hecken: hiezu müssen die Fluren in mehrere Hektar große Schläge

unterteilt und mit Hecken eingerahmt werden. Diese Maßnahme verändert das Landschaftsbild, macht Schluß mit der „Kunststeppe“ und schafft die Heckenlandschaft. Sie ist in den österreichischen Ländern vielfach zu finden, vielenorts werden bei uns die Hecken noch sachgemäß gepflegt und genutzt.

Aber die Heckenlandschaft schließt Großbetriebe mit Großmaschinen aus.

Denn was bedeuten alle diese rettenden Planungen eigentlich? Eine Erschwerung der Bewirtschaftung größerer Flächen, eine Vermehrung der Viehhaltung, also eine Wirtschaft mit erhöhtem Aufwand an Gebäuden, Viehvermögen und Arbeit: alles Maßnahmen, die zwangsläufig zu kleineren Wirtschaftseinhelten, zu intensiver Bewirtschaftung und größerer Be-siedlungsdichte führen müssen. Die Entwicklung selbst drängt also — bei Strafe des sonstigen Unterganges — auf eine gesündere und nachhaltige, das heißt mehr bäuerliche Wirtschaftsweise. Die scheinbar rückschrittliche mitteleuropäische Bauernwirtschaft erweist sich also allein als rationell, denn sie allein vermag die Menschheit nachhaltig, nicht auf Kosten der Zukunft, zu ernähren, solange es ihr gelingt, die Bodenfruchtbarkeit wie bisher aufrechtzuerhalten. Alle Maßnahmen zur Wiederherstellung und Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit müssen also zu einer „Verbäuerlichung“ der Steppenlandwirtschaft, zu einer An-

gleichung der Steppenbetriebe an die mitteleuropäischen Baueinbetriebe führen.

Freilich, wie lange es dauern kann, bis sich diese Angleichung durchgesetzt hat, kann niemand sagen. Entscheidend ist es darum zu wissen, daß die bäuerliche Wirtschaftsform biologisch allein richtig

ist, daß sie nur folgerichtig weiterentwickelt werden muß — daß sie aber in der schweren Übergangszeit des staatlichen Schutzes gegen eine Unterbietung mit Erzeugnissen einer nur scheinbar billiger arbeitenden Raubwirtschaft bedarf.

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