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Schröder rückt vor
Hingegen ist es Bundesaußenminister Gerhard Schröder gelungen, an Ansehen zu gewinnen, obwohl die außenpolitische Krise natürlich in erster Linie sein Ansehen in Mitleidenschaft zu ziehen drohte. Es fiel auf, daß die gegen ihn gesponnene Intrige in nächster Nähe und unter den Augen Adenauers eingefädelt wurde. Es spricht viel dafür, daß Adenauer mit seinen verhängnisvollen Berliner Erklärungen, die in scharfem Gegensatz zu den wenige Tage vorher von Schröder in Athen gemachten Ausführungen standen, seinem allzu selbständig gewordenen Außenminister die Lust an der Außenpolitik nehmen wollte. Daß Adenauer, allzu unbekümmert um die Reaktionen in Amerika und die Berlin-Krise, einen internen Streit in die Öffentlichkeit trug, enthüllt, wie wenig er noch Herr der Situation ist. Die scharfen Reaktionen in Washington nötigten ihn denn auch zu einem peinlichen Rückzug. Welche Mühe sich auch Adenauer gibt, die selbstverschuldete Vertrauenskrise zu bagatellisieren: Man weiß seither in Westdeutschland, daß nicht mehr Adenauer, sondern Schröder das Vertrauen Präsident Kennedys und Außenminister Rusks hat. Damit ist der sehr geschickt im Hintergrund gebliebene Schröder in die vordere Linie gerückt.
Diese Feststellung darf aber nicht so ausgelegt werden, als wäre er der Mann, der dem Autoritätszerfall in Bonn steuern kann. Dazu hat er zu viele Feinde, hat er sich in seinem Ministerium noch zuwenig durchgesetzt, und dazu ist auch sein Verhältnis zu Adenauer durch diese Vorgänge zu sehr getrübt. So, wie die Dinge liegen, hätte Schröder nur dann eine Chance, wenn die von seinem Gegner Brentano geleitete Fraktion aus ihrer Lethargie erwachen und sich für Schröder erklären würde. Dazu fehlen alle Anzeichen.
Die Ereignisse der letzten Wochen haben, deutlicher als jemand ahnen konnte, gezeigt, wie weit die Agonie der Kanzlerdemokratie bereits gediehen ist. Daß einem sechsundachtzig-jährigen, hochverdienten Mann die Zügel entgleiten, ist nicht verwunderlich. Erschreckend ist lediglich das politische Vakuum, das sich zeigt. In dieser Situation so zu tun, als sei nichts geschehen, als wäre Konrad Adenauer ein Mann in den besten Jahren, heißt mutwillig eine Situation heraufbeschwören, die der der dreißiger Jahre unter Hindenburg nicht unähnlich ist. Auch damals war es so lange ein Staatsverbrechen, über die Hinfälligkeit Hindenburgs zu sprechen, bis seine Schwäche Hitler alle Chancen gab, dessen kometenhafter Aufstieg nach 1930 ebenso mit der Wirtschaftskrise wie mit dem Versagen der politischen Parteien zusammenhing. Mit einem machtpolitischen Vakuum in eine Abschwächung der Konjunktur hineinzugehen, ist ein unerhörtes Wagnis. In den unweigerlich in nächster Zeit auf Westdeutschland zukommenden außen- und innenpolitischen Schwierigkeiten eine funktionsunfähige Regierung im Amt zu lassen, heißt leichtfertig jene Kräfte ermuntern, die den demokratischen Einrichtunger skeptisch gegenüberstehen. Wenn die CDU/CSU wirklich ihren Ruf als Staatspartei nicht verlieren will, dann muß sie sich wirklich darüber im klaren sein, daß die gegenwärtige Situation nicht ohne Gefahr ausgedehnt werden kann. Es geht nicht mehr um die Treue zum großen, alten Mann, dem Deutschland unendlich viel verdankt, sondern um den Bestand dei westdeutschen Demokratie.
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