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Armer, reicher Onkel

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Die Dollarkrise fiel mit dem zehnten Jahrestag der „Fortschrittsallianz“ zusammen, des Entwicklungsplanes, den Kennedy als Gegengift gegen die kubanische Revolution in Punta del Este verschrieb. Inzwischen sind die Probleme Lateinamerikas nicht gelöst worden, sondern gewachsen.

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Die Dollarkrise fiel mit dem zehnten Jahrestag der „Fortschrittsallianz“ zusammen, des Entwicklungsplanes, den Kennedy als Gegengift gegen die kubanische Revolution in Punta del Este verschrieb. Inzwischen sind die Probleme Lateinamerikas nicht gelöst worden, sondern gewachsen.

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Die Maßnahmen Nixons, auf dem Währungssektor haben für Lateinamerika kaum schwerwiegende Folgen, denn der Verlust bei den Reserven wird durch die verminderte Verschuldung weit übertroffen. In welchem’ Maße die zehnprozentige Impartabgabe dem Handel mit Lateinameriika schadet, läßt sich noch nicht übersehen, weil die meisten

Rohstoffe und kontingentierten Einfuhren aus dieser Zone wicht betroffen werden. Die Senkung der Auslandshilfe um zehn Prozent freilich ist aller Voraussicht nach eine finanziell vielleicht nicht einschneidende Veränderung, umso größer kann aber die psychologische Wirkung in Lateimamerika sein.

Die Schwächung des wirtschaftli chen und machtpciitiischen Einflusses der USA erlaubt eine relativ störungsfreie Entwicklung der neuen Tendenzen. Außerdem ermutigt die Krise jene Kreise, die den Kapitalismus in seiner heutigen Fonm für ungeeignet für die lateinamerikanische Entwicklung ansehen oder jedenfalls den Einfluß des Auslandskapitals zurückdrängen wollen.

Nun hat eine völlige Umbildung der wirtschaftlichen Struktur vom kapitalistischen zum sozialistischen System nur in Kuba stattgefunden. Die Abhängigkeit von Moskau, der Verzicht auf die Industrialisierung und die von Fidel Castro mit bewundernswerter Offenheit zugegebenen Mängel in der Produktion und in der Versorgung lassen es als durchaus unwahrscheinlich erscheinen, daß andere lateinamerikanische Regimes sein Modell nachahmen. Vielmehr scheint sich in Lateinamerika eine eigenständige . Zwischenform zwischen Kapitalismus und Sozialismus herauszubilden.

Sie zeigte sich bisher — wenn auch mit starken Abweichungen — in Peru, Bolivien und Chile, am klarsten in Peru. Die Latifundien, Rohstoffbetriebe und Banken wurden enteignet, beziehungsweise verstaatlicht. Man bildet „Coraunidades“ vor allem in der Industrie, wobei die Arbeiter am Gewinn beteiligt sind und ein Fonds gebildet wird, durch den im Laufe der Jahre das Eigentum oder die Aktienmehrheit auf sie übergehen soll. Man könnte dieses System eine neuartige Form von Zwangsgenossenschaften nennen.

Io Bolivien „ist. die;t Entwicklung sprunghaft und von störenden inner- politischen Wirren und dem Einfluß zufälliger Interessengegensätze abhängig, so daß man sie nicht als Modellfall betrachten kann. In Chile steht Allende am Anfang seines „Weges zum Sozialismus“; was er sein Ziel nennt und in welchem Maß er jetzt überhaupt sein Endziel offenbart, läßt sich noch nicht übersehen.

Dagegen ist der Widerstand gegen das Auslandskapital, dem die Lateinamerikaner mit einer so komplizierten Haßliebe gegenübertreten, auch in Ländern zu beobachten, deren Regimes als Prototypen kapitalistischer Orientierung gelten. In Venezuela ist trotz lautstarkem Protest der interessierten Kreise ein Gesetz erlassen worden, nach dem die Petroleumlager bei Ablauf der Konzessionen für die nordamerikanischen Gesellschaften entschädigungslos dem Staate anheimfallen. IB Mexiko, den Amdewländern und jetzt auch in Argentiniern ist die“ ‘Registrierung der Auslandsfirmen und eine Begrenzung des zulässigen Transfers verfügt worden. Eine ungewohnte Propaganda mit Maueranschlägen läßt manche Kreise in Buenos Aires vor einer Hetze gegen das Auislandskapi- tal sprechen.

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