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Autofahren nur für Reiche?

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„Abgeschmettert", das war der triumphierende Tenor vieler Berichte, als unsere Umweltministerin Maria Rauch-Kallat um 70 Groschen mehr Benzinpreiserhöhung forderte, als die bereits ausgehandelten 50 Groschen. Das kurze Zwischenspiel zeigte, wie schwierig es ist, über ein solches Thema überhaupt zu reden, weil es zu den eigentlichen Tabus unserer Zeit gehört. Dabei sind sich viele Wissenschafter, aber auch Politiker, durchaus einig, daß der Verbrauch von Energie und Rohstoffen rationalisiert gehört, und daß es nur darum geht, auf welche Weise das geschehen müßte. Es ist auch klar, daß ein begrenzter Energiestoff wie Mineralöl zu billig verkauft wird. Nur: Es getraut sich niemand, daraus auch die Konsequenzen zu ziehen.

In Deutschland hat nun der Präsident des Umweltamtes in Berlin, Heinrich Freiherr von Lersner, eine längerfristige Lösung vorgeschlagen: Erhöhung des Benzinpreises pro Liter und Jahr um 25 Pfennig. Lersner argumentiert damit, daß die Umweltkosten im Preis des Autofahrens enthalten sein müßten, und daß eine Verteuerung des Autofahrens unausweichlich sei.

Eine schlagartige Erhöhung ist nicht durchzusetzen, ein auf einen bestimmten Zeitraum hin kalkulierbarer steigender Preis wäre eventuell leichter zu verwirklichen und hätte zwei

Folgen: Wenn Autokäufer rechtzeitig wissen, daß der Gebrauch ihres Gefährts um einiges kostspieliger wird, werden sie sich für ein Fahrzeug entscheiden, das im Verbrauch billig ist. Für die Auto-Industrie bedeutet das, daß sie der geänderten Nachfrage Rechnung tragen müßte; also Autos mit weniger PS, möglicherweise eine neue Motorengeneration, ein Innovationsschub also für eine Branche.

Erste Reaktionen aus der Auto-Industrie sind nicht grundsätzlich ablehnend, obwohl gerade in Deutschland mit dem Schlagwort ,,Freie Fahrt für freie Bürger" immer sofort Stimmung zu machen ist für die Verschwendung von Erdöl im privaten Massenverkehr. Ängstliche Volksvertreter, eine Wirtschaft, die mit dem Verlust von Arbeitsplätzen droht, Autofahrervereine, die ihre Kompetenz aus der Zahl der Mitglieder reklamieren - alle diese Faktoren führen in ihrer Kombination dazu, daß die Vernunft sich nicht durchsetzen kann.

Ein wichtiges Argument, das nicht leichtfertig ignoriert werden sollte, ist natürlich das soziale: Soll Autofahren wieder etwas werden, was sich nur die Reichen leisten können? Die eigentliche Frage aber ist, ob „sozial" nur das ist, was billig ist, und ob ein niedriger, in Wahrheit wirtschaftlich unvertretbarer Benzinpreis, nicht unökologisch und unsozial ist und so mit seinen Folgewirkungen letztlich alle trifft.

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