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Bevölkerungspolitik am Beispiel ASEAN

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Das rapide Wachstum der Weltbevölkerung ist eine der größten Herausforderungen unseres Jahrhunderts. Lag die Zahl der Weltbevölkerung 1850 bei 1,2 Milliarden Menschen, so hatte sie sich hundert Jahre später, 1950, mehr als verdoppelt: man zählte 2,5 Milliarden Menschen.

1975 wurde die 4-Milliarden-Sch welle überschritten und heuer liegt die Zahl der Erdenbürger Schätzungen zufolge bei 4,6 Milliarden. Und die Zahl der Menschen droht schneller anzuwachsen als die Nahrungsmittelproduktion.

Dies ist der Hintergrund, vor dem jüngst auf dem heurigen Dialogkongreß im Tiroler Bergdorf Alpbach unter anderem auch das Thema „Bevölkerungswachstum und Entwicklung” in der südostasiatischen Staatengemeinschaft ASEAN diskutiert wurde.

Dieser fünfte in der Reihe der Dialogkongresse, bei denen Westeuropa jeweils einem anderen Kultur- und Wirtschaftsraum gegenübergestellt wird, befaßte sich mit der Bestandsaufnahme und Analyse der gegenseitigen Beziehung zwischen Westeuropa und den fünf ASEAN-Staaten Thailand, Malaysia, Singapur, Indonesien und den Philippinen.

Alle fünf ASEAN-Staaten haben sich bereits in den sechziger Jahren zu einer bewußten Bevölkerungspolitik entschlossen. Die Notwendigkeit einer solchen ist unumstritten angesichts der Tatsache, daß die Einwohnerzahl dieser Region von 1960 bis 1980 um fast 100 Millionen von 162,8 auf 260,8 Millionen gestiegen ist.

Indonesien ist mit seinen jetzt 148 Mülionen Menschen der einwohnermäßig fünftgrößte Staat der Welt.

Bis zum Jahr 2000 wird die Zahl der Menschen in dieser Region nach verschiedenen Studien auf 460 bis 500 Millionen steigen.

Die Antwort auf die Frage nach dem Warum der Bevölkerungsexplosion ist vielschichtig. Es zeigte sich auch in den Alpbacher Gesprächen deutlich, daß die Inter-dependenz zwischen Bevölkerungswachstum und wirtschaftlieher und sozialer Entwicklung mehr und mehr erkannt wird.

Die heute herrschende Bevölkerungsexplosion ist induziert durch eine Senkung der Sterberate — geringere Kindersterblichkeit und höhere Lebenserwartung — aufgrund verbesserter gesundheitlicher und hygienischer Bedingungen. Doch die Nahrungsmittelproduktion hält mit dem rapiden Wachstum nicht Schritt. Ziel der Bevölkerungspolitik: Senkung der Geburtenraten und somit Stabilisierung der Bevölkerungszahl bei niedrigen Sterbe-und Geburtenziffern.

Singapur kann in vieler Hinsicht als Modellfall angesehen werden. Zum einen hat sich der Stadtstaat schon bald gezwungen gesehen, mittels einer' restriktiven Bevölkerungspolitik nicht aus allen Nähten zu platzen. Die Maßnahmen waren vielfältig: Großzügige Abtreibungsgesetzgebung, freiwillige Sterüisation, bezahlten Karenzurlaub nur für die ersten zwei Kinder, kein Vorrang für große Familien bei der Vergabe von Sozialwohnungen und ähnliches.

Mögen einzelne dieser Maßnahmen ethisch fragwürdig sein und das erfolgreich angestrebte Ziel die Mittel nicht heiligen, so muß doch konstatiert werden, daß es Singapur gelungen ist, aus dem Teufelskreis Bevölkerungswachstum — Armut und aus ihr geborene Kinder als „Sozialversicherung” fürs Alter und damit verstärkte Bevölkerungsexplosion, verstärkte Armut - herauszubrechen: Seit 1975 ist die Einwohnerzahl stabil und beträgt 2,4 Millionen.

Der wirtschaftliche Aufschwung stellte den Stadtstaat weit an die Spitze der ASEAN-Staaten: Er erreichte 1979 ein ProKopf-Einkommen von 3.770 US-Dollar.

Malaysia folgt mit 1.450, Philippinen mit 640, Thailand mit 600 und Indonesien mit 360. Im Vergleich dazu liegt Österreichs ProKopf-Einkommen bei knapp über 7.000 US-Dollar.

Die erfolgte Stabilisierung der Bevölkerung ist unter den gegebenen Umständen eine notwendige, jedoch keine hinreichende Bedingung steigenden Wohlstands. Und Wohlstand wiederum führt über Änderungen in der Gesellschaftsstruktur durch die langsame Bildung eines Mittelstandes und über Bewußtseinsänderungen infolge eines höheren Bildungsniveaus zu einer Senkung der Geburtenrate.

In allen fünf Ländern stand der Bevölkerungspolitik der Regierungen kaum Widerstand von seiten islamischer oder christlicher Gruppen entgegen.

Diese und zahlreiche andere Daten und Argumente lassen für die Zukunft erwarten, daß die demographische sowie die soziale und wirtschaftliche Entwicklung mehr miteinander verschränkt sein werden als je zuvor.

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