6815802-1973_08_08.jpg
Digital In Arbeit

Die demographische Bombe

Werbung
Werbung
Werbung

„Nicht die Atombombe wird die Menschheit vernichten — es gibt eine gefährlichere Bombe, die demographische, die explosiver ist und zur Zerstörung der Menschheit führen kann“, sagen pessimistische Demographen in Anbetracht der Wachstumsstatistik der Menschheit. Die Erde hatte im Jahre 1925 2 Milliarden Bewohner, 1972 hingegen 3,782 Milliarden, und wenn der Entwicklungstrend anhält, muß unsere Erde im Jahre 2000 etwa 6,1 Milliarden, im Jahre 2022 schon 8 Milliarden und im Jahre 2100 angeblich nicht weniger als 48 Milliarden Menschen ernähren.

Die Bevölkerungsexplosion schafft Probleme, die von der internationalen Gemeinschaft der Nationen gelöst werden müssen. Deshalb hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen das Jahr 1974 zum „Jahr der Weltbevölkerung'“ deklariert. Zum Generalsekretär der „Weltbevölkerungskonferenz“, die im August 1974 in New York stattfinden soll, wurde der lateinamerikanische Staatsmann und mexikanische Ex-kanzler Antonio Carrillo Flores ernannt.

Anläßlich eines Treffens mit Journalisten wies Flores darauf hin, daß die Bevölkerung der ärmeren Regionen unserer Erde bekanntlich schneller wächst als jene reicherer Gebiete, so daß sich die Zahl der „Armen“ bis zum Jahrhundertende verdoppeln könnte, während die Bevölkerungszahl in höher entwickelten Regionen nur um ungefähr 40 Prozent steigen wird. Die Generalversammlung erörterte das Problem schon 1962; 1965 wurde in Belgrad eine Weltbevölkerungskonferenz abgehalten und 1967 hat die UNO einen Fonds für demographische Aktivitäten ins Leben gerufen, dessen Exekutivdirektor der Philippine Raphael Salas ist. 1969 belief sich das Budget des Fonds auf 1,5 Millionen Dollar und 1972 wurde es auf 44,7 Millionen aufgestockt.

„Obwohl schon im Jahre 1954 eine Bevölkerungskonferenz in Rom stattfand und auch die Belgrader Konferenz fundamentale Arbeit geleistet hat, wird die Weltbevölkerungskonferenz von 1974 die erste sein, an welcher Mitgliedsregierungen der UNO und Repräsentanten von Spezialagenturen teilnehmer werden“, sagte Flores. „Zum ersten mal werden Experten und Diploma ten die Fragen einer weltumfassenden Bevölkerungspotlitik diskutieren und nicht nur Themen von wissenschaftlichem und technischem Interesse.“

Der mexikanische Exkanzler erläuterte sodann, daß die demographi-schen Studien fünf Hauptgebiete umfassen sollen:

• Fruchtbarkeit;

• Sterblichkeit und Krankhaftigkeit;

• interne Wanderung und Urbanisierung;

• Wirtschaftsaspekte;

• soziale Aspekte.

Die Weltgesundheitsorganisation, die UNESCO und die FAO werden mit der Bevölkerungskonferenz zusammenarbeiten, da die Konsequenzen der Bevölkerungsexplosion ernsthaft die Gesundheit, die Erziehung, die Ernährung, die Behausung,ja die wirtschaftliche und soziale Entwicklung beeinflussen können.

Zwei Prinzipien von großer Wichtigkeit, die auf der Belgrader Konferenz akzeptiert und später auf regionalen Konferenzen geprüft wurden, sind die Souveränität der Nationen in ihrer eigenen Bevölkerungspolitik und die Freiheit jeder einzelnen Familie, zu entscheiden, wie viele Kinder sie wünscht“, erklärte Flores. Auf eine Frage, betreffend die Einschaltung des Vatikans, antwortete der Generalsekretär, daß er hoffe, der Heilige Stuhl werde Repräsentanten oder Beobachter zur Konferenz entsenden.

Im kommenden Juni findet ein Symposion über Weltbevölkerungsprobleme in Kairo statt. In Asien wurden bereits zwei Konferenzen veranstaltet, die zweite im November 1972 in Tokio.

„Asien bricht unter dem Gewicht seiner Bevölkerung zusammen“, sagte in Tokio ein japanischer Experte: „Die Legionen von Kindern, die bis zum Ende dieses Jahrhunderts zur Welt kommen werden, stellen ein weltweites Gesundheitsproblem dar.“ Ein anderer Aspekt, mit dem die Tokio-Konferenz sich befaßte, war die schnelle Zunahme der Stadtbevölkerung, die in Lateinamerika mit ihren Favelas zur allgemeinen Gefahr wird. Die Stadtbevölkerung Asiens wird sich bis zum Jahre 2000 verdreifachen und auf eine Milliarde ansteigen. Viele Städte werden auf diese Weise unbewohnbar werden. In Städten wie Bombay und Kalkutta werfen der Verkehr, die Luft- und Wasserverschmutzung, die Hygiene und die Behausung der Millionenmassen schwerste Probleme auf.

Um eine Lösung zu finden und ein Chaos zu verhindern, ist eine inter-lationale, globale Aktion notwendig. ,Mit kollektiver Verantwortlichkeit“, sagte Flores, „müssen wir alle unseren Anteil an der Ausarbeitung und Ausführung eines Programms für unseren Planeten übernehmen, um :ür die kommenden Generationen das Leben erträglich zu machen.“

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung