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Der Gegenwart auf der Spur
Unter den Dichtern, Romanciers, Schriftstellern, Kulturphilosophen und Kulturkritikern war er immer ein Einzelgänger, ein Außenseiter. Ein Einsamer, dem man nachsagte, er sei der „Spürhund auf der Fährte seiner Zeit“: Elias Canetti, einer der Eigenwilligsten des europäischen Geisteslebens des 20. Jahrhunderts, feiert dieser Tage (25. Juli) seinen 70. Geburtstag.
Als Kind jüdisch-spanischer Eltern wurde er in Rustschuk in Bulgarien geboren. 1911 wanderte die Familie nach England aus, doch nach dem frühen Tod seines Vaters ging er mit seiner Mutter nach Wien, wo er mit 13 Deutsch lernte — als vierte Sprache! Paris, Frankfurt, Wien waren die Stationen seines Studiums. 1929 promovierte er hier zum Dr. phil. Im Kreis um Karl Kraus fand er die wichtigen geistigen Anregungen, begegnete Persönlichkeiten wie dem Experten für byzantinische Musik Egon Wellesz und setzte sich in Berlin mit Sozialkritikern wie Bert Brecht, George Grosz und Isaac Babel auseinander. 1938 mußte Canetti, der sich inzwischen in Wien als freier Schriftsteller etabliert hatte, vor den einmarschierenden Truppen Hitlers nach London fliehen. Er wohnt seither dort.
Der große internationale Erfolg hat sich für Canetti erst relativ spät eingestellt: Erst in den letzten Jahren erntete er, den Thomas Mann einen Kritiker von „erbitterter Großartigkeit“ und „debordierender Phantasie“
nannte, mit Büchern wie „Masse und Macht“ (1960) breite Anerkennung. Erst jetzt erkannten selbst Literaturkritiker die Tiefe
Canettischer Gedankengänge: etwa in „Masse und Macht“ seine Zusammenschau von Ethnologie, Psychologie und Anthropologie, um die Fragen „Massenwahlen“ und „Massentötung“ zu analysieren ... Oder im Roman „Die Blendung“, der 1935 herauskam, aber anfangs kaum beachtet wurde, die Frage nach der Verstrickung des
Menschen in Angst und Ausweglosigkeit, wie sie in dieser Intensität nur noch bei Broch, Kafka oder Joyce abgehandelt wurde... und sein neuestes Buch „Der Ohrenzeuge — Fünfzig Charaktere“ (wie sein ganzes Werk im Hanser-Verlag erschienen) zeigt ihn erneut als kühnen Phantasiekünstler, dessen Imagination sogar ins Übermütig-Groteske umschlagen kann.
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