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„Die Politiker“ an allem schuld?
Einer erklecklichen Zahl zeitgenössischer Journalisten ist es gelungen, mangelnde Bildung durch „kritische“ Einstellung zu ersetzen, also die Dinge zu „hinterfragen“. Artet die mangelnde Bildung in blanke Arroganz aus, dann kann man getrost annehmen, es handle sich um einen „engagierten“ Journalisten.
Solche gibt es natürlich auch im staatlichen Fernsehen, und in jüngerer Zeit konnte man ihre Tätigkeit im Rahmen der „Horizonte“ und auch von „Ohne Maulkorb“ in Sendungen verfolgen, die sich mit den Problemen der österreichischen Grenzgebiete beschäftigen. Die Kommentatoren gaben sich natürlich nicht damit zufrieden, die Probleme derartiger Regionen zu schildern, sondern sie waren auch darauf aus, die Ursachen dafür zu finden.
Die „Hinterfragung“ der Dinge ergab, daß an den Problemen dieser Gebiete „die Industrie“ und „die Politiker“ schuld sind.
Sicherlich sind die Verhaltensweisen der Industrie besonders verwerflich: denn erstens läßt sie sich in solchen Regionen nicht nieder, tut sie es aber, dann beutet sie die Arbeitskräfte dort schamlos aus.
Aber viel besser ergeht es auch den Politikern nicht. So wurden Lehrlinge, nachdem sie über die Schwierigkeiten berichtet hatten, einen Lehrplatz am Ort zu finden, befragt, was sie denn überhaupt von den Politikern hielten. (Zu ihrer Ehre sei's gesagt: sie äußerten sich sehr neutral.)
Hätten sich die engagierten Journalisten auch nur in Spuren mit den Problemen der Regionalökonomie befaßt, dann wüßten sie, daß sie damit ein sehr dorniges Problem aufgegriffen haben. | Die Verlagerung von Arbeitsplätzen und von Menschen vom Land in die Städte ist so alt wie die industrielle Entwicklung.
Schon in den dreißiger Jahren hatte man in England versucht, einmal den umgekehrten Weg zu gehen - „die Arbeitsplätze zu den Arbeitskräften“ zu bringen. Und nach dem Zweiten Weltkrieg bemühten sich alle Staaten und Wirtschaftsorganisationen bis hin zur Europäischen Gemeinschaft um den Ausgleich des regionalen Wirtschaftsgefälles.
Alle diese konzentrierten Bemühungen der „Politiker“ führten nur zu bescheidenen Ergebnissen, weil die automatisch wirkenden Kräfte der Konzentration derart stark waren, daß selbst beträchtlicher finanzieller Aufwand wenig Erfolg zeitigte. So schrieb die englische Regierung in einem Bericht an die OECD: „Die Beendigung regionaler Ungleichgewichte war 40 Jahre hindurch Ziel der aufeinanderfolgenden Regierungen im Vereinigten Königreich gewesen. Viel ist erreicht worden, dennoch ist keine Lösung in Sicht.“
Nun kann man zwar sagen, daß auch die Tätigkeit kritischer Ignoranz im Fernsehen Ausdruck der Meinungsvielfalt sei, doch müßte man die Dinge hier wohl „hinterfragen“: Der Autor entsinnt sich noch sehr wohl der Zeit, als in Massenmedien und Schule die Schuld an allen erdenklichen Problemen den „Juden“ gegeben worden war.
Es ist sehr die Frage, ob es Aufgabe des staatlichen Fernsehens sein kann, ein ähnliches Bild von den „Politikern“ zu schaffen. (Die Industrie ist solches ohnehin gewöhnt.) Oder soll das der Beitrag des Fernsehens zum Thema
„Demokratieverdrossenheit“ sein?
Als politische Kolumne soll dieser Beitrag durch Provokation zum Denken anregen. Die einzelnen Formulierungen des Autors müssen sich nicht mit den Auffassungen der Redaktion decken.
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