Christliche Verantwortung und Corona
Wie muss in Zeiten der Pandemie eine von christlicher Verantwortung geprägte Politik aussehen? Ein Gastkommentar über das Agieren der Bundesregierung – und die Tugend der Geduld.
Wie muss in Zeiten der Pandemie eine von christlicher Verantwortung geprägte Politik aussehen? Ein Gastkommentar über das Agieren der Bundesregierung – und die Tugend der Geduld.
Allgemein gilt: Versuche, konkrete Handlungsanleitungen aus den Lehren der Kirchen, insbesondere der katholischen, abzuleiten, waren nie sehr erfolgreich. So etwa endeten bestimmte Ratschläge, welche staatlichen Strukturen einzuführen seien, bei „Quadragesimo Anno“ im gescheiterten Experiment des Ständestaats. Gerade in Wirtschaftsfragen kann man sich wohl kaum auf Lehren der Kirche oder gar des Evangeliums berufen. Der frühere Generaldirektor von Böhler-Uddeholm, Claus Raidl, quittierte ein solches Ansinnen gern mit dem Diktum: „Es gibt keinen katholischen Stahlpreis.“
In der Zeit einer Pandemie politische Verantwortung zu tragen, ist zweifellos eine besondere Herausforderung. Dabei geht es nicht bloß um Entscheidungen, die für die in einem Land lebende Bevölkerung nicht einfach etwas besser oder schlechter ausfallen können, sondern man steht unter dem Eindruck, für Leben und Tod einer großen Anzahl von Menschen direkt Verantwortung zu tragen. Dabei können Erfahrungen früherer Entscheidungsträger nicht als Vorbild dienen. Denn derartige Ausbrüche von grippeähnlichen Epidemien erreichten in den letzten Jahrzehnten nie den europäischen Kontinent. Somit bleibt nur die bereits ein Jahrhundert zurückliegende Spanische Grippe. Die damaligen Rahmenbedingungen (wie das Ende eines Weltkriegs), eine allgemein schlechte Gesundheitssituation weiter Bevölkerungskreise sowie eine prekäre Ernährungslage machen sie nicht wirklich mit der jetzigen Pandemie vergleichbar.
Nach bestem Wissen und Gewissen
Was bleibt, ist nach bestem Wissen und Gewissen Entscheidungen zu treffen. Man wird zunächst die Expertise von Fachleuten der relevanten wissenschaftlichen Disziplinen einholen. Schon dabei stößt man auf Schwierigkeiten, denn auch Experten aus derselben Studienrichtung sind sich oft nicht einig, geschweige denn solche verschiedener Disziplinen. Beratende Gremien, in denen möglichst alle Aspekte berücksichtigt werden, sind zweifellos hilfreich. Letztlich bleibt die Verantwortung für oft nicht angenehme Maßnahmen bei einer kleinen Gruppe von politischen Entscheidungsträgern. Natürlich soll man nichts unversucht lassen, alle relevanten politischen und wirtschaftlichen Kräfte einzubinden. Genau das scheint der österreichischen Regierung vor dem ersten Lockdown gelungen zu sein. In kurzfristig einberufenen Nationalratssitzungen gab es oft einstimmige Beschlüsse. Alle Parlamentsparteien gaben sich einsichtsvoll und staatstragend. Auch die Bevölkerung zeigte ganz überwiegend Bereitschaft, notwendig erscheinende Einschränkungen zu akzeptieren.
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