6751032-1967_28_06.jpg
Digital In Arbeit

Gegen die deutsche Flaute

Werbung
Werbung
Werbung

Jemand meinte, die Bundesregierung beginne nachgerade dem bekannten Greis zu ähneln, der auf dem Dach sitzt and sich nicht zu helfen weiß. Doch mußte er sich sofort von der ganzen Runde vorhalten lassen, er habe das Augenmaß verloren, die Bundesregierung habe die Entwicklung sehr wohl in der Hand und werde aus den Ereignissen ungeschoren hervorgehen.

Gemeint war die Wirtschafts- und Finanzlage. Sie ist zur ersten Bewährungsprobe der Großen Koalition geworden. Dabei ist sich jedermann im klaren darüber, daß weitere Bewährungsproben auf anderen Gebieten folgen werden. Beispielsweise enthält der Atomsperrvertrag noch manche Fallstricke. Bei der CDU/CSU ist die Neigung, ihm beizutreten, nicht entfernt so ausgeprägt wie bei der SPD, die ganz allgemein eine außenpolitische Isolierung fürchtet.

Drückendes Erbe

Auf dem Gebiet der Wirtschafts-und der Finanzpolitik hat die Regierung Kiesinger ein unglückliches Erbe angetreten. Ausgerechnet unter den Händen des Vaters des Wirtschaftswunders, Erhard, hatte sich dieses Wunder mehr und mehr verflüchtigt. Noch heute ist die Auseinandersetzung nicht abgeschlossen, ob Erhard hierfür in erster Linie oder gar allein verantwortlich sei oder nicht auch andere, beispielsweise die Bundesbank mit ihrer Restriktionspolitik.

Die Abschwächung der Konjunktur drückte sich in den zunehmenden Zahlen der Arbeitslosen aus, im Rückgang der offenen Stellen, vor allem aber im Nachlassen der Ertragslage und der stellenweise erheblich schrumpfenden Bereitschaft zu neuen Investitionen. Die Regierung der Großen Koalition sagte sich deshalb, sie müsse durch Konjunkturspritzen versuchen, die wirtschaftliche Entwicklung wieder nach vorn zu treiben. Zu diesem Zweck wurde der Eventualhaushalt in Höhe von 2,5 Milliarden D-Mark erfunden. Er soll sowohl der öffentlichen Hand wie der Privatwirtschaft Mittel an die Hand geben, um die Produktion wieder anzufachen.

Aber dieses Vorhaben ist vorläufig nur zum Teil geglückt. In der Wirtschaft herrscht zur Zeit noch ein ziemlicher Attentismus vor. Viele Unternehmer mögen noch nicht daran glauben, daß die wirtschaftliche Entwicklung die Talsohle durchschritten hat, von der Bundeswirtschaftsminister Schiller und Bundesfinanzminister Strauß mit aller Offenheit reden. Jene Unternehmer meinen vielmehr, die Wirtschaft werde noch eine ganze Weile in dem düsteren, steinigen Tal dahin wandeln müssen. Deshalb ist ihre Neigung zu Investitionen verhältnismäßig gering. In einigen Wirtschaftszweigen — beispielsweise in der Bauwirtschaft — haben führende Unternehmer sogar eine Verringerung der Kapazitäten empfohlen.

Bundesbankpräsident Blessing hat bestätigt, wie weit sich das auswirkt. Zu der Frage, ob nicht noch ein zweiter Eventualhaushalt notwendig sein werde, hat er bemerkt, man könne getrost noch der öffentlichen Hand weitere Mittel zur Verfügung stellen, denn die Wirtschaft habe die Mittel, die ihr für Investitionen bereitgestellt worden waren, keineswegs voll in Anspruch genommen, hier lägen also noch Gelder brach.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung