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Konservatismus und Selbstbehauptung

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Seit einigen Wochen gehen alarmierende Berichte über die Gefährdung des Menschen durch die Zerstörung der für sein Leben notwendigen Umweltbedingungen durch alle Länder. Sie müßten auch dem sich starr gegen das „konservative“ Prinzip Sperrenden die Frage nahelegen, was es mit dem damit gemeinten „Bewahrenden“ auf sich hat. In Frage stehen die biologischen Voraussetzungen des Überlebens der Menschheit, aber nicht weniger die geistigen, weil die Umweltzerstörung durch die technologische Entwicklung aus dem geistigen Bereich stammt. Aus geistiger Desorientierung stammt der Fortschrittsglaube, der das revolutionäre Prinzip als Heilslehre verkündet, tatsächlich aber die Welt mit dem Lärm destruktiver Gewalttätigkeit erfüllt. Das anzuzeigende Buch von Doktor Heinrich Drimmel, zehn Jahre Unterrichtsminister in der die Zukunft Österreichs entscheidenden 'Zeit, besitzt daher höchste Aktualität. Denn „in der Beschäftigung mit dem Lebendigen ist die eigentliche Funktion des konservativen Prinzips zu suchen“. Zur konservativen Haltung, sagt Drimmel, gehört zu allererst die zeitgerechte Beseitigung des Unzulänglichen, Überalterten und vor allem der Abbau von Rechten, die zufolge der Änderung ihrer Voraussetzungen zu Unrechten geworden sind. Das konservative Prinzip stehe in einem Zweifrontenkrieg: gegen die Reaktion, die im Namen eines imaginären Rechts Unrechts-ordnungen verewigen will, und gegen die Revolution, die ebenso mit Berufung auf ein imaginäres Recht alle bestehende Ordnung in Gesellschaft und Staat zerschlagen will. In neun kurzen Kapiteln vermag Drim-mel genau das zu sagen, was angesichts der scheinbar unaufhaltsam vordringenden zersetzenden Kräfte der vielfältig schillernden Neuen

Linken zu sagen ist, angesichts auch der Gefahr einer Restauration, für die der zu allem bereite revolutionäre Gewaltwille die Voraussetzungen schafft und die das für die Zukunft Verheißungsvolle in der heutigen Entwicklung zu zermalmen droht. Die Selbstbehauptung des Menschen gegenüber der Bedrohung von beiden Seiten ist es, die wie nie in der Geschichte, jedem einzelnen das verpflichtende Engagement auferlegt. Schon lange war in Anbetracht der schweren Krise von Gesellschaft, Staat, Kirche und Kultur eine neue Präsentation des konservativen Prinzips dringend geboten, die gleicherweise den überdauernden Werten wie den sich der Menschheit eröffnenden Fortschrittshoffnungen genüge tut. Hier liegt diese Präsentation vor in ebenso faszinierend formulierter und sachlich treffender Argumentation, den Leser von Seite zu Seite immer neu fesselnd durch die Schärfe der Zeitdiagnostik wie durch die Überzeugungskraft der Neuinterpretation der dem Menschen im Wissen um seine Personalität abgeforderten Entscheidungen.

DER KONSERVATIVE MENSCH UND DIE REVOLUTION. Von Heinrich Drimmel, 120 Seiten, Pappband mit Glanzfolie, Verlag Herold, Wien, München, 1970, S 75.—.

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