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Was bedeutet „christliche“ Politik?
In letzter Zeit hört man wieder öfter das Versprechen, man wolle Politik nach christlichen Grundsätzen machen. Was „christlich“ da wohl heißt?
Das müßte doch heißen, konsequent den Menschen in den Mittelpunkt stellen, etwa so, daß das Kind in der Schulpolitik Vorrang vor Par tei- oder Standespolitik hat. Familie wird oft als Inbegriff christlicher Politik genannt. Hieße das aber nicht, das Umfeld für die Familie neu zu bestellen? Dazu gehören Wohnbau, Arbeitsmöglichkeiten, Steuerrecht, Stellung der Frau, das gesamte öffentliche Klima, das fa- milienfreundlicher werden müßte.
„Christliche“ Politik muß vor allem den am Rande stehenden Menschen sehen. „Ich war hungrig, durstig, fremd und obdachlos, krank und im Gefängnis, und ihr ..." so hat Jesus selbst zum sozialen Handeln aufgefordert.
Für heute interpretiert trifft das die Sorge um Behinderte und um die „neue Armut“, das Ausländerproblem, „Nichtseßhafte“, Drogenabhängige, Aidskranke, Resozialisierung Krimineller, möglichst Integration aller, die schuldig oder unschuldig nicht der „Leistungsnorm“ entsprechen.
„Christliche“ Politik bekennt sich zu Solidarität. So erwartet man, daß sie eine „postsolidarische“ Gesellschaft wirksam verändere. Daß sie zu Solidarität mit denen im Lande aufruft, die weniger haben und weniger gelten und Mut zeigt zur Solidarität mit den Armen in der Welt mit allen Konsequenzen für eine wirksamere Entwicklungspolitik.
Christen müßten sich aus dem Glauben heraus zu einer weitschauenden Umweltpolitik verpflichtet fühlen. Diese reicht von der Korrektur des eigenen Lebensstils bis zur Steuerung technischer Entwicklungen.
Ob solches immer unter „christlicher Politik“ verstanden wird? Ob alle, die sich als Christen bekennen, sich dazu auch aus dem Glauben verpflichtet wissen? Andererseits vertreten solche Grundsätze gerade auch Politiker, die dem Christentum nicht nahestehen. Ob sich da nicht neue Allianzen ergeben?
Eine Politik nach den erwähnten Grundsätzen wäre unserem Gemeinwesen sehr förderlich, und gerade Christen müßten sich für eine solche Politik verantwortlich fühlen. Politiker seien aber gewarnt, in „Sonntagsreden“ vorschnell von „christlicher Politik“ zu reden. Man könnte sie sonst eines Tages mit allen Konsequenzen beim Wort nehmen.
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