Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Ehrlichkeit
Wahlen in der Bundesrepublik Deutschland und in Österreich zu vergleichen, ist so gut wie unmöglich. Richtige Erdrutsch- oder Denkzettel-Wahlen, wie sie in der BRD immer häufiger werden, kann man sich in Österreich nicht vorstellen.
Vergleichen kann man aber langfristige Trends und ähnliche Grundmuster. Nehmen wir die Grünen. Nach sensationellen Erfolgen in den letzten Jahren haben sie jetzt im Saarland ihre Erstniederlage einstecken müssen. Bis jetzt kann man schon zwei Faktoren als Ursachen erkennen.
Da ist nämlich die erkennbare Unfähigkeit der Grünen, aus der Rolle des Protestes in die Rolle der Mitverantwortung überzuwechseln.
Sie werden offenbar gewählt, um anderen einen Denkzettel zu verpassen. Aber an der Regierung will sie niemand haben, am wenigsten die eigene Wählerbasis. Sonst müßten sie ja die schmale Plattform der Protest-Schwerpunkte verlassen und auf breiter Themenebene Kompromisse mittragen.
Dazu haben sich die Deutschen Grünen auch in Bonn, in Hessen und in Nordrhein-Westfalen schon im Vorfeld als unfähig erwiesen.
Ist nicht auch das Konrad-Lorenz-Volksbegehren, dort wo es über den konkreten Protestfall Hainburg hinausgeht, so überfrachtet mit nicht-konsensfähigen Positionen, daß mancher Sympathisant mit seiner Unterschrift für das ganze zögert?
Da ist zum anderen Oscar Lafontaine, der Wahlsieger der SPD an der Saar. Er hat den Grünen erstmals das Wasser abgegraben und den Wind aus den Segeln genommen. Was war sein Rezept? Nicht die Anbiederung! Er hat nicht um die Gunst der Grünen gebuhlt, sondern ihnen hart Kontra gegeben. Aber Erfolg hatte das nur, weil er selbst im grünen Themenumfeld glaubwürdig wirkte.
Wer nur die üblichen politischen Sprechblasen modisch begrünt, kann heute die Wähler nicht mehr täuschen wie ein Wolf, der Kreide frißt. Wer ständig nur ne-bulös von Versöhnung zwischen Ökonomie und Ökologie schwafelt, kann grünengagierte Wähler noch lange nicht überzeugen.
Lafontaine hat klargemacht, daß Arbeitsmarktprobleme nicht auf Kosten der Umwelt und Umweltprobleme nicht auf Kosten der Arbeitslosen bewältigt werden können. Er hat nicht versucht, Grüne und Arbeiter gegeneinander auszuspielen,
Lafontaine hat vielmehr aufgezeigt, daß dieser Interessenkonflikt nur konkret und nur miteinander zu lösen ist — nicht indem man ihn mit Schlag-(Wort)-Obers zuschäumt, sondern offen und sachlich austrägt. Diese Ehrlichkeit wurde ihm honoriert.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!