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Ein Tabu selbst für Experten

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Am überflüssigsten-, fühlt man sich als Experte in Österreich, klagte kürzlich ein prominenter Wirtschaftsforscher, wenn sich beide Großparteien offiziell in einer Sache einig sind. Warnungen und abweichende Expertenmeinungen werden dann „net einmal ignoriert“. Auch wenn prominente Vertreter eben dieser beiden Parteien unter vier Augen die Expertenmeinung teilen.

Expertisen in Sachen Arbeitsmarkt zählen zu diesem Genre. Wir haben Vollbeschäftigung, und wir werden dafür sorgen, daß es dabei bleibt. Basta. Die SPÖ hat die Position „Sicherung der Arbeitsplätze“ fest in ihrer Hand. Die ÖVP möchte sie ihr gerne streitig machen. Und das glaubt sie mit verbaler Kraftmeierei besser als mit unpopulären Alternativen zum ermüdenden Phrasendreschen der Sozialisten zu können.

Das Mitterer-Trauma sitzt der Volkspartei offenbar noch tief in den Knochen: Jahrelang wurde (und wird gelegentlich noch heute) von den Sozialisten genüßlich eine angebliche Äußerung des ehemaligen ÖVP-Handelsministers zitiert, wonach etwas mehr Arbeitslosigkeit durchaus nicht schaden könnte, um die Volkspartei als reaktionär zu verteufeln. Deshalb ist man in der Kärntner Straße heute lieber fortschrittlich oberflächlich.

Wie weit die Tabuisierung der Vollbeschäftigung in Österreich geht, erfuhren deutsche Professoren, die auf Einladung des österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung nach Wien gekommen waren, um mit ihren österreichischen Kollegen über neue Aspekte von Vollbeschäftigung und Arbeitslosigkeit zu diskutieren.

Das Symposium, das eigentlich dazu gedacht war, aufzuzeigen, daß Arbeitslosigkeit nicht gleich Arbeitslosigkeit ist, endete fast mit einer Beschimpfung der deutschen Gäste. Uber „Sucharbeitslosigkeit“ u. dgl. will man in Österreich nicht diskutieren. Nicht einmal auf akademischer Ebene.

So wird wahrscheinlich auch nach den Wahlen die Frage unerörtert bleiben, was auf Dauer die Arbeitsplätze besser sichert: Die rechtzeitige Freisetzung von Arbeitskräften, um die Substanz und die Produktivität eines in Schwierigkeiten geratenen Betriebes zu erhalten; oder das krampfhafte Festhalten an überholten Strukturen zugunsten einer makellosen Statistik.

Solange die Arbeitslosenstatistik im gesamtösterreichischen Durchschnitt makellos ist, wird vermutlich auch niemand fragen, was es für die betroffene Region und die dort lebenden Menschen bedeutet, wenn im Burgenland im Winter die Arbeitslosenrate knapp 10 Prozent und in Kärnten selbst im Jahresdurchschnitt noch 5,2 Prozent beträgt. Obwohl das über der Arbeitslosenrate der BRD liegt, mit der man so gerne die eigenen Erfolge ins rechte Licht rückt.

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