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Eurokommunismus - kein Kommunismus?

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In den Medien hat sich das bequeme Kürzel „Eurokommunismus” rasch durchgesetzt. Seit dem Frühsommer 1976 ist es im Umlauf. Der Schwenk der KPF auf ihrem 22. Parteitag im Februar 1976 hatte die autonomisti- sche Politik der KPI bekräftigt und Moskaus Unbehagen deutlich verstärkt. S. Carrillos Auftreten auf der Ostberliner KP-Konferenz Ende Juni

1976, seine erfolgreiche Etablierung in Spanien nach Franco und seine direkte Herausforderung des Kreml im April 1977 durch sein Buch „Eurokommunismus und der Staat” schienen die Entwicklung unaufhaltsam zu steigern, den Bruch mit der KPdSU unvermeidlich zu machen und damit erst dem Phantom Gestalt und Realität zu verschaffen.

Denn die Kurzformel hatte von Anfang an verdeckt, wie unterschiedlich Interessenslagen und Spielraum der „eurokommunistisch” firmierenden Parteien und Gruppierungen sind. Die Vorgänge um Carrillos Provokation haben die Differenzen der „Eurokommunisten” untereinander und die Fragwürdigkeit der attraktiven Formel wieder deutlich werden lassen. Zwar schätzen die etablierten kommunistischen Regimes die Werbeprospekte der West-KPs wenig, weil sie den Forderungskatalog ihrer Bürger in brüderlicher Legitimation anreichem; sie wissen aber auch, daß solche Werbeprospekte im Westen unerläßlich sind und schließlich nur den Weg zum Sozialismus vielversprechend in den eigentlichen Sozialismus hinein verlängern, dessen wesentlicher Inhalt jedoch ohnehin mit ihren eigenen Zielen und Legitimationsprinzipien übereinstimmt.

Wunschdenken im Westen setzt lieber auf das scheinbar Neue, auf das Verlockende der „eurokommunistischen” Scheinalternative zum „realen” Sozialismus, auf die faszinierende Europa-Perspektive. Erste Informationen zusammenzufassen, war ein Gebot der Stunde. Das Bändchen der Reihe „Texte - Thesen” vereinigt fünf Kurzstudien, abgeschlossen im März

1977. Alfons Dalma faßte seine laufende Berichterstattung zum „Italo- kommunismus” knapp zusammen; Joseph Rovan skizziert die KPF in ihrer Ambivalenz zwischen Moskau- treue und nationaler Tradition, wobei freilich die Übertragung schwunghafter Formulierungen ins Deutsche ihre Hohlheit hervorkehrt; Andreas Ra- zumovsky strichelt eine böse Bilanz von Titos Herrschaft; Michael Vermehren versuchte sich an einer Kurzgeschichte der KP Spaniens, und Heinz Ramseier läßt zuletzt Cunhals Partei aus doktrinärer Starre zu „eurokommunistischer” Beweglichkeit hinüberfinden. Nicht wenige Ungenauigkeiten (der Blick in den Band „Die kommunistischen Parteien der Welt” der Enzyklopädie „Sowjetsystem und demokratische Gesellschaft” hätte rasch zu dem einen oder anderen richtigen Datum und so weiter verholfen); bei Ramseier gab es gar, 1917, eine Leningrader Revolution, sind G. Husäk und A. Duböek Tschechen, heißt V. Zagladin zweimal Zla- gadin und so fort.

EURO-KOMMUNISMUS von Dalma, Rovan, Razumovsky, Vermehren, Ramseier: Italien, Frankreich, Jugoslawien, Spanien, Portugal. („Texte - Thesen” Band 79, Edition Interfrom AG, Zürich 1977, S 110,-)

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