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Freiheit nicht nur Schein

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Unter dem Titel „Personale Freiheit und pluralistische Gesellschaft”, veranstaltete die Wiener Katholische Akademie eil Symposion, zu dem namhafte in- und ausländische Vertreter der Philosophie, Politologie und Theologie als Vortragende nach Wien gekommen waren. Die gemeinsame Basis aller Beiträge bestand in der Einsicht um die geschichtliche Vermittlung und institutionelle Bedingtheit konkreter personaler Freiheit

In den anschließenden Diskussionen stand das Bemühen um einen zureichenden Begriff von menschlicher Personalität im Mittelpunkt. Das ist verständlich, wenn man bedenkt, daß die gegenwärtig einflußreichen Gesellschaftstheorien des (Neo)- Marxismus und der „Systemtheorie” den Menschen restlos ins höhere gesellschaftliche Ganze funktionalisie- ren und so gerade das entscheidende Menschliche, die Personalität, überspringen.

Gegen den individualistisch-libera- listischen Freiheitsbegriff wurde geltend gemacht, daß wirkliche Freiheit immer freigegebene, zu sich befreite - damit eben geschichtlich vermittelte - Freiheit ist. Nur unter freien Menschen kann der Mensch wirklich frei werden (siehe Wolfskinder), und nur schon vorgegebene Vernünftigkeit von Normen und deren Institutionalisierung ermöglicht wirkliches sittliches Handeln.

Damit war als Prinzip des freiheitlichen Staates die Solidarität angesprochen, also die Aufgabe, miteinander und füreinander die Bedingungen zu erhalten und neu zu gestalten, unter denen auf dem Boden der Gleichheit vor dem Recht ein gegenseitiges Sich-Anerkennen aller angesichts naturaler und sozialpolitisch unverfügbarer Ungleichheiten möglich wird.

Das so verstandene Solidaritätsprinzip richtet sich auch gegen den sozialistisch-kollektivistischen Freiheitsbegriff, für den die bestehende Freiheit nur eine Scheinfreiheit ist, weil es die wahre Freiheit noch gar nicht gibt. Wer so redet, spricht dem wirklichen Menschen - dem Menschen, ,wie er geht und steht” (Marx) - das wahre Menschentum ab und erklärt ihn zum unmündigen Subjekt. Solcher Entmündigung des wirklichen Menschen ist nur zu begegnen, indem man schon vorgegebene Freiheit als eine wirkliche, wenngleich nicht vollendete Freiheit anerkennt.

Dasselbe gilt für die Institutionen. Diese ermöglichen nicht nur wirkliche Freiheit, sondern sind auch von ihr getragen. Auch die schon bestehenden Institutionen müssen als wirklich freiheitliche anerkannt werden, soll deren Reform möglich bleiben. Nur auf dem Boden dieser zweifachen Anerkenntnis ist ein menschenwürdiges Engagement für künftige Freiheitsräume möglich. Das Prinzip partnerschaftlicher Solidarität wurde dann an Familie, Wissenschaft, Wirtschaft und Politik konkretisiert.

Die Politik, so wurde von politolo- gischer Seite ausgeführt, müsse loskommen von dem Vorurteil, gesellschaftliche Konflikte seien im Grunde Verteilungskonflikte. Sie darf nicht Normen und Gewissensüberzeugungen zu „Wertpräferenzen” umfunktionieren, deren Wert sich nach dem von ihnen hervorgerufenen Lust- oder Unlustquantum be- mißt. Es könne nicht allein darum gehen, daß ein Gemeinwesen funktioniere, weil damit die legitime Frage nicht zu beantworten ist, welchen Sinn das Funktionieren selbst noch haben solL

Dieses verkürzte Politikerverständnis, so ergab sich weiters, gründet in einem unzureichenden Personbegriff und damit in einer inadäquaten Theorie menschlichen Handelns.

Der Begriff der Person stammt sachlich aus der Trinitätstheologie. Die Personalität des Menschen wurde im Christentum von dem in drei Personen existierenden einen Gott her entdeckt Weil der Mensch das Ebenbild des dreieinigen Gottes ist, ist er Person. Nach christlichem Glaubensverständnis existiert Gott in der Dreiheit von Hingabe, Empfang und Kommunikation. Gott selbst ist Dialog, interpersonale Gemeinschaft. Die Bezogenheit aufeinander kommt nicht zu den Personen hinzu, sondern macht gerade ihr Personsein aus. Deshalb ist der Mensch in dem Maße wirklich Person, wie er seine trinitarisch verfaßte Ebenbildlichkeit nachvollzieht, wie er also das Urbild göttlicher Selbsthingabe und Kommunikation wirksam werden läßt in der eigenen gemeinsamen Freiheitsverwirklichung.

Dieser relationale Personbegriff stand auch im Hintergrund der abschließenden handlungstheoretischen Überlegungen. Unter den Bedingungen des modernen sozialen Rechtsstaates, so lautete die These, sind nur solche Normen legitim, welche auf die Freisetzung von Kommunikation abzielen.

Dabei wurde die gängige Alternative - so wenig Staat oder so viel Staat wie möglich - ihrer Vordergründig- keit überfuhrt. Staatliche Macht sei abzulehnen, wo der Staat als eigener Sozialpartner auftritt. Hingegen könne die staatliche Macht nicht groß genug sein, wenn diese „eine Macht des Dienstes am freigesellschaftlichen Geschehen” sei.

(Der Autor ist Assistent am Institut für Philosophie der Universität Wien)

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