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Gemeinsam nur fur Mao

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Während des abgelaufenen Jahres hat die Volksrepublik China in verstärktem Maße Delegationen der peking-kommuni-stischen Parteien Westeuropas eingeladen, und zwar nicht nur von denjenigen, die absolut pekingtreu sind, sondern erstmals auch von solchen Gruppen, die zwar pro-rotchinesisch eingestellt sind, aber nicht als völlig linientreu gelten.Nach wie vor nämlich existieren eigentlich in jedem Land mehrere solche Kreise, die sich gegenseitig auch noch befehden; gemeinsam ist ihnen nur die Berufung auf Mao Tse-tung und die Verherrlichung Rotchinas und Albaniens.

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Während des abgelaufenen Jahres hat die Volksrepublik China in verstärktem Maße Delegationen der peking-kommuni-stischen Parteien Westeuropas eingeladen, und zwar nicht nur von denjenigen, die absolut pekingtreu sind, sondern erstmals auch von solchen Gruppen, die zwar pro-rotchinesisch eingestellt sind, aber nicht als völlig linientreu gelten.Nach wie vor nämlich existieren eigentlich in jedem Land mehrere solche Kreise, die sich gegenseitig auch noch befehden; gemeinsam ist ihnen nur die Berufung auf Mao Tse-tung und die Verherrlichung Rotchinas und Albaniens.

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Existierten bisher nur sporadische Kontakte zwischen diesen Gruppierungen in den einzelnen Ländern, so kam es im letzten Jänner zu einem Treffen der wichtigsten nordeuropäischen Maoisten-Parteien. Von diesen ist derzeit die „Arbeidernes Kommunistparti (M. L.)“ in Norwegen am stärksten, deren Wochenorgan „Klassekampen“ eine Auflage von 17.000 erreicht hat Größere Aktivität zeigt aber auch die rivali-serende Gruppe „Kommunisfcisk Arbeiderforbund“. In Schweden ging die Auflage des Organs der „Sveriges Kommunistiska Parti“ von früher 25.000 auf 13.500 zurück. Ein Großteil der Anhänger schloß sich der anderen, radikaleren Peking-Gruppe, dem „Kommunistiska forbündet marxista-leninisterna“, an.

Von den Maoisten Dänemarks dürfte der aktivste Kreis der „Kom-munistisk Arbejderforbund marxister-leninister“ sein. In Finnland schlössen sich die Peking-Anhänger — zumeist alte Stalinisten — ebenfalls zu einem Bund zusammen. Stärkere pro-rotchinesische Propaganda war in diesem Jahr erstmals auf Island zu beobachten.

In Großbritannien existieren neun verschiedene chinesisch-kommunistische Gruppen. Peking ist primär an der „Communist Party of Bri-tain (M. L.)“ interessiert, deren Vorsitzender erst vor Wochen wieder in Rotchina war; sein Halbmonatsblatt „The Worker“ dürfte jedoch in der britischen Arbeiterschaft kaum größeren Anklang finden. Aktiv ist auch die „Communist Party of England (Marxist-Leninist)“, deren „Workers Weekly“ allerdings fast nur aus Reden rotchinesischer und albanischer Führer besteht. Nahezu denselben Inhalt, lediglich mit dem Titel „Red Patriot“, weist das Qrgan der „Communist Party of Ireland (Marxist-Leninist)“ auf.

Im März dieses Jahres kam es in Paris zu einem Treffen der wichtigsten peking-kommuniStischen Parteien Mitteleuropas. Offiziell ist seit den Maiunruhen von 1968 der „Parti Communiste Marxiste-Leniniste de France“ verboten; trotzdem kann er ungehindert sein — seit Mai sogar täglich erscheinendes — Organ „l'Humanite rouge“ verbreiten, das neuerdings sehr heftig für die Landesverteidigung eintritt. Aber auch der maoistische „Parti Communiste Revolutionnaire“ läßt seinen „Front rouge“ seit Ende September als täglichen „Quotidien du peuple“ druk-ken.

Die belgischen Mao-Freunde finden sich in ihrem „Parti Communiste Marxiste-Lniniste“ und — besonders im flämischen Landesteil — in der Gruppe „Alle Macht aan de Arbeiders“ zusammen. Die Niederlande kennen mehrere Gruppierungen; die KP Chinas unterstützt die „M. L, Partij“, der man Kontakte zum kommunistisch-indonesischen Untergrund in Westeuropa nachsagt.

In Luxemburg hat die „Gesellschaft für Luxemburgisch-Chinesische Freundschaft“ die besten Beziehungen zu Peking, wenn man nach der Häufigkeit von gegenseitigen Einladungen urteilt. Die eigentliche Maoisten-Gruppe ist der „Kommunistische Bund Luxemburg“ mit seiner zweimonatlich erscheinenden „Roten Fahne“. Von hier aus gehen Verbindungen zum (Mao-)Kommunistischen Bund Wien“, der aus Studentenkreisen entstand und sein Blättchen „Klassenkampf“ in Österreich verbreitet. Die meisten Anhänger hat indessen die „Vereinigung Revolutionärer Arbeiter Österreichs“ mit ihrem Organ „Für die Volksmacht“. Bei der pekingtreuen „Marxistisch-Leninistischen Partei Österreichs“ hingegen ist deren Zeitung „Rote Fahne“ seit langem nicht mehr erschienen. Sind Streitigkeiten mit Funktionären in Albanien die Ursache?

Differenzen gab es auch bei der „Kommunistischen Partei der Schweiz (Marxisten-Leninisten)“ mit ihrem Blättchen „Oktober“ insofern, als sich dort vor kurzem eine Gruppe abspaltete; diese „Kommunistische Bewegung (Marxisten-Leninisten)“ will ihrerseits auch „die proletarische Revolution und die Zerschlagung des bürgerlichen Staates durch das bewaffnete Volk“, erkennt als Nahziel aber die Verteidigung der nationalen Unabhängigkeit und den Kampf gegen Moskau. Die ebenfalls (Chine-sisch-)„Kommunistische Partei der Schweiz“ scheint nach wie vor auf den Raum Zürich beschränkt zu sein; neben ihrer „Roten Fahne“ gibt sie für italienische Gastarbeiter neuerdings das Organ „Bandiera Rossa“ heraus.

Den Schwerpunkt im deutschsprachigen Raum möchte Peking augenscheinlich in der Bundesrepublik sehen. Von den insgesamt neun maoistischen Gruppen hier konkurrieren besonders die „KPD (Marxisten-Leninisten)“ mit ihrem Zentralorgan „Roter Morgen“ und die „KPD“ mit ihrer „Roten Fahne“ um den Nachweis, die besten Anhänger Maos zu sein. Gegen die Wiedervereinigung Deutschlands und gegen eine Landesverteidigung indessen ist der (Peking-),,Komniunistische Bund Westdeutschlands“ eingestellt, der allerdings die meisten Mitglieder zählt und dessen „Kommunistische Volkszeitung“ wöchentlich rund 40.000 Exemplare ausweist. Während nun alle diese Gruppierungen den Besuch des CSU-Vorsitzenden Strauß in Peking zumindest äußerlich positiv bewerteten, schrieb der (Chine-sisch-)„Kommunistische Bund“ Hamburgs in seinem Blatt, das sei „zum Kotzen“. Konträr dazu wiederum stehen die „Marxisten-Leninisten Bochum“, die mit der Europafahne demonstrieren und Anhänger der NATO sind.

Portugal kennt ebenfalls etliche Gruppierungen. Die radikalste von ihnen ist das „Movimento Reorgani-zativo do Partido do Proletariado“, deren Blatt „Luta populär“ seit dem Herbst 1975 täglich herauskommt. Peking hingegen setzt auf den „Partido Comunista de Portugal (M. L.)“, der die rotchinesische Außenpolitik uneingeschränkt vertritt. Weitere Gruppen, die sich unlängst zusammenschlössen, arbeiten auch unter den Auslandsportugiesen in Frankreich.

Von den spanischen Maoisten ist die FRAP durch ihre Polizistenmorde am bekanntesten. Sie stellt die Frontorganisation der prochinesischen KP dar. Ihre Zentrale dürfte in Paris liegen. Das „Movimiento Comunista“ hat sich der „Demokratischen Konvergenz“ angeschlossen, während der maoistische „Partido del Trabajo“ zusammen mit der Moskau-KP die „Demokratische Junta“ bejaht. Alle Gruppen bemühen sich in jüngster Zeit verstärkt darum, unter den Gastarbeitern in Mitteleuropa Anhänger zu gewinnen.

In Italien streiten sich der „Partido Comunista d'Italia (M. L.)“, der „Partido Comunista (M. L.) Italiano“ und die „Organizzazione dei Comu-nisti (M. L.) d'Italia“ um den „wahren Weg zum Kommunismus“ ä la Mao Tse-tung. Von den von Peking empfohlenen Einheitsbestrebungen ist dort nichts zu spüren.

Bei den Griechen sind es die „KP Griechenlands (M. L.)“ mit etlichen Publikationen — die Propaganda unter den Auslandsgriechen betreibt ein Stützpunkt in London —, die „Organisation der Marxisten-Leninisten“ mit Hauptquartieren im Piräus und in Italien, sowie eine halb-illegale „Revolutionäre Kommunistische Bewegung“.

Die ebenfalls teilweise im Untergrund arbeitende „Revolutionäre Arbeiter- und Bauern-Partei der Türkei“ kann ihre Zeitungen offen in Ankara drucken und überall verbreiten; ihr theoretisches Organ erscheint neuerdings über ein Postfach in Luxemburg. Die Leitstelle für ihre Arbeit unter den Gastarbeitern befindet sich in Frankfurt/Main. Von dieser Gruppe spaltete sich die „KP Türkei (marxistisch-leninistisch“ ab, deren Zentrale sich ebenfalls in der Bundesrepublik befinden dürfte.

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