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Geschäfte mit dem Tod

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Der Export österreichischer Rüstungsgüter steht wieder einmal im Zwielicht. Jetzt soll das entsprechende Gesetz liberalisiert werden. Das ist die „Stunde der Wahrheit“.

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Der Export österreichischer Rüstungsgüter steht wieder einmal im Zwielicht. Jetzt soll das entsprechende Gesetz liberalisiert werden. Das ist die „Stunde der Wahrheit“.

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Waffengeschäfte sind wieder einmal ein aktuelles Thema. Managern der Verstaatlichten Industrie hat man vorgeworfen, sie hätten gegen das geltende Recht verstoßen.

Die Reaktion darauf war sehr österreichisch: Einerseits wurden die Vorwürfe als böswillige Unterstellungen zurückgewiesen, andererseits wurde die „Liberalisierung“ der geltenden Rechts-

Vorschriften angeregt. Ein entsprechender Vorschlag von Justizminister Harald Ofner (FPÖ) fand alsbald Befürworter, auch aus der ÖVP und aus der Industriellenvereinigung.

Nun hat sich, eindeutig kritisch, auch eine kirchliche Institution zu Wort gemeldet: die Kommission „Iustitia et Pax“; als fachzuständige Einrichtung der Bischofskonferenz hat sie den ganzen Fragenkomplex noch unter Vorsitz von Kardinal Franz König eingehend studiert und erörtert — längst bevor die neuerliche Auseinandersetzung in Gang kam.

Die Kommission verlangt die unbedingte Einhaltung des geltenden Gesetzes (siehe Kasten „Keine Lockerung“). Sie hatte den Eindruck gewonnen, daß man es schon bisher nicht hinreichend ernst genommen hat.

Immerhin gab es Mitte 1985, als eine beabsichtigte Panzer lieferung nach Marokko für Aufregung sorgte, eigentümliche Äußerungen von Politikern — auch von Regierungsmitgliedern —, die so klangen, als ob es diese Gesetzesbestimmungen überhaupt nicht gäbe. Denn die Lieferung sollte offenbar in eine Konfliktregion

erfolgen — Marokko war in Kampfhandlungen um die Westsahara verwickelt.

Schon damals stellte sich die Frage, welchen Eindruck viele Staatsbürger aus solchen Vorgängen gewinnen mußten: die Forderung, die Gesetze des demokratischen Rechtsstaates ernstzunehmen, darf auch vor dem Kriegsmaterialgesetz nicht halt machen — oder lohnt es sich schon nicht mehr, um die Glaubwürdigkeit der Politik besorgt zu sein?

Angesichts dessen ist das unverblümte Votum für eine Lockerung des Gesetzes - das Eingeständnis, daß man auch mit Men-

schenrechtsverächtern und mit dem Blutvergießen in anderen Weltgegenden Geschäfte machen will—immer noch redlicher als eine Politik im Zwielicht und im Zeichen der Zweideutigkeit.

Aber wenn man schon offen redet, dann sollten auch noch einige andere Karten auf den Tisch gelegt werden:

• Es stimmt nicht, daß der österreichische Waffenexport nur dazu dient, die Bedarfsdeckung für das Bundesheer zu ermöglichen; eine wirklich an unserem Eigenbedarf orientierte Produktpalette sähe anders aus.

• Die politische Moral verlangt

Zurückhaltung beim Geschäftemachen mit dem Tod. Das Argument, andere würden ohnehin Waffen liefern, wenn wir darauf verzichten, ist zutiefst fragwürdig. (Wie würde wohl ein anständiger Bürger reagieren, würde

man ihm anraten, er solle seine Tochter ruhig „auf den Strich gehen lassen“, denn wenn er das verhindern wollte, gäbe es schon andere junge Frauen, die sich das Geschäft nicht entgehen' ließen ...?)

• Ein erheblicher Teil der österreichischen Rüstungsproduktion wird auf die Dauer kaum Exportchancen haben; das Arbeitsplatzargument ist ungeeignet, die Notwendigkeit der Umstellung auf andere Produkte in Frage zu stellen; irgendwann werden das auch die Arbeiter erfahren.

• Besser wäre es, Konsequenzen zu ziehen: Österreichs Industriepolitik steht vor der Aufgabe, zukunftsträchtige Innovationen voranzutreiben; in diesem Rahmen wäre es sinnvoll, Maßnahmen der Umstellung von Rüstungsproduktion auf die Erzeugung ziviler Bedarfsgüter mit Vorrang zu fördern, wenn es sich nicht gerade um Projekte handelt, die dem speziellen Bedarf unserer Raumverteidigung entsprechen.

Vielleicht führt die Auseinandersetzung um diese Dinge dazu, daß man erkennt: Dies könnte die „Stunde der Wahrheit“ werden, wenigstens im Hinblick auf das Problem, von dem hier die Rede ist. Das könnte eine Chance bedeuten: für die Wirtschaft, für die Politik, für die Moral.

Der Autor ist Professor für Politikwissenschaft an der Universität Wien und Direktor der Kommission „Iustitia et Pax“.

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