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„... mach' mich nicht naß“

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Der österreichische Rüstungspazifismus hat wieder einmal zugeschlagen. Unter Rüstungspazifismus soll dabei jene, moralisch zwar anerkennenswerte, in der Realität jedoch nicht nachvollziehbare Haltung verstanden werden, die einerseits die „Bedürfnisse unserer Landesverteidigung“ akzeptiert, andererseits aber die Befriedigung dieser Bedürfnisse seitens einer funkti-

onsfähigen Rüstungsproduktion kritisiert — nach dem Motto: Wasch' mir den Pelz, aber mach' mich nicht naß!

Unbestritten ist, daß in einer Welt ohne Waffen, Konflikte und Kriege das Leben der gesamten Menschheit bedeutend humaner, gerechter, friedlicher und glücklicher wäre.

Da diese unsere Welt aber nicht so ist, muß man mit ihrem andersartigen, zum Teil auch gewaltsamen Charakter rechnen oder — noch besser—alles in seiner Macht Stehende tun, um die Unkultur der Gewalt zu behindern, einzudämmen oder auf Null zu reduzieren.

Zu diesem Thema ließe sich noch vieles sagen, doch sollte damit lediglich der Rahmen angedeutet werden, in welchem Uber-legungen zum österreichischen Waffenexport zu plazieren sind.

Die Stellungnahme der „öster-

reichischen Kommission Iustitia et Pax“ zum Thema Waffenexport (FURCHE 6/1986) fordert folgende kritischen Einwände heraus:

• Die Forderung nach einer Beschränkung der einheimischen Rüstungsproduktion auf „raum-verteidigungsspezifischeProduk-te“ übersieht, daß lediglich im Bereich der Sperrtruppen und der leichten Landwehrbataillone (Jagdkämpf) besondere Kampfmittel erforderlich sind, sonst aber das international „übliche“ Rüstungsmaterial eingesetzt werden muß.

Prozentmäßig ausgedrückt liegt der „österreichische Bedarf“ unter 20 Prozent der Mobilmachungsstärke des Bundesheeres. Eine Beschränkung der österreichischen Rüstungsproduktion auf diesen Bereich würde eine unverantwortliche Abhängigkeit von ausländischen Rüstungsgütern bedingen.

• Der innovatorische Effekt eines (wenn überhaupt möglichen) Konversionsprozesses auf zivile Produkte in der österreichischen Rüstungswirtschaft kann daher angesichts der geringen Umstellungskapazität nur sehr gering sein. Ob er die industriepolitische

Zukunft des Landes aufzuhellen vermag, ist zweifelhaft. • Der Export österreichischer Waffen und Rüstungsmaterialien ist unerläßlich, um von der Kostenseite her die Aufrechterhaltung einer bewaffneten Neutralität der Republik Österreich zu legitimieren. Dieser geradezu staatspolitisch fundierten Rentabilitätsrechnung schließt sich auch der Landesverteidigungsplan an.

Daß heute die Exportchancen für österreichische Rüstungsprodukte nicht gut stehen, kann daher nicht heißen, die einschlägigen Exportbemühungen zu drosseln oder gar aufzugeben, sondern kann nur heißen, die Herstellung international konkurrenzfähiger Produkte mehr als bisher zu forcieren (durch zielstrebige Forschung, unter anderem im Sinne des Auffindens waffentechnischer Nischen).

Wenn auch der Export österreichischer Waffen ins Ausland weiterhin manche Zornesträne ins (linke und/oder katholische) Au-

ge steigen lassen wird, so muß trotzdem gesagt werden, daß nicht die Waffe beziehungsweise Rüstung an sich, sondern erst ihr politisch angeordneter Gebrauch ein moralisches Problem entstehen läßt. Und auch für diesen Gebrauch sind Konstellationen denkbar, die ihn rechtfertigen (Notwehr).

Wäre es anders, müßten wohl auch Steinschleudern einer österreichischen Ausfuhrbewilligung bedürfen, hat doch David bekanntlich seinen Widerpart Goliath mit einer derartigen Schleuder getötet. Waffenexporte können daher auch ein „Geschäft“ zugunsten des Uberlebens einer bedrohten Person, Gruppe oder Gesellschaft sein.

• Die Bestimmungen des Kriegsmaterialgesetzes sind unter mehreren Gesichtspunkten problematisch. So ist zum Beispiel aufgrund des Gesetzestextes durch das verwinkelte Zusammenwirken mehrerer Minister mit der gesamten Bundesregierung (unter möglicher_Einschaltung des Außenpolitischen Rates) eine Kooperationsstruktur geschaffen worden, die mehr verschleiert als

an politischer Verantwortung offenlegt. •

Der Ruf nach „Liberalisierung“ dieses Gesetzes muß daher in erster Linie als Versuch verstanden werden, die Verantwortung für Waffenexporte transparent zu machen.

Ein Plädoyer für die unveränderte Beibehaltung der geltenden Rechtslage zementiert hingegen diese diffuse Verantwortungskonstruktion und läßt beispielsweise auch zu, daß österreichische Waffenexporte in den Ostblock — theoretisch — als legal und legitim angesehen werden können, obwohl jeder weiß, daß dort - nach unserem Verständnis — die Lage der Menschenrechte alles andere als zufriedenstellend ist.

Als Fazit dieser Überlegungen bleibt zumindest die Einsicht, daß in einer „Stunde der Wahrheit“, betreffend die österreichische Rüstungsproduktion und ihre Waffenexporte die damit verbundenen Probleme komplexer gesehen und analysiert werden müssen, als dem anerkennenswerten Bemühen der Kommission „Iustitia et Pax“ vorläufig zu entnehmen ist.

Gernot Albrecht ist Oberst des Generalstabes im österreichischen Bundesheer, Fritz Windhager Universitätslektor für Politikwissenschaft an der Universität Wien. Beide sind Mitglieder der „Arbeitsgemeinschaft Sicherheit & Demokratie“.

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