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Nicht nur schöne Worte
Beobachtet man die vorherrschenden Themen in der Wahlauseinandersetzung, oder die Argumente zur Entscheidung über den 8. Dezember, oder das traurige Geschehen, daß eine alte Frau in ihrer Wohnung einsam stirbt und das tragische Faktum, daß sie erst nach eineinhalb Jahren zufällig gefunden wird, muß man fragen: Wohin steuern wir unser Leben?
Was zählt eigentlich heute noch? Dürfen wir heute noch vom Menschen als Menschen, ohne seine Leistungsfähigkeit, ohne seine Konsumkapazität sprechen, so einfach vom Menschen als Geschöpf, als Abbild Gottes, als eine liebende und geliebte, gemeinschaftsfähige und gemeinschaftsstiftende Person, mit Gefühlen, mit der eigenen, unverzichtbaren, ' unverwechselbaren Identität und Würde? Ist die Frage nach dem Sinn der menschlichen Existenz überhaupt noch berechtigt?
Um welchen Preis betreiben wir und forcieren wir, ohne Rücksicht auf Verluste, diesen Fortschritt mit schwindelerregender Geschwindigkeit? Fortschritt und Wachstum! Immer wieder und jedes Jahr dieses Ziel. Wohin eigentlich noch? Die Produktionszahlen und der Profit müssen stimmen; wie es dem Menschen dabei geht, dem einzelnen oder der Familie, ist sekundär. Grenzenlose Gewinnsucht, Machtansprüche und MacKterweiterun-gen stehen meist im Vordergrund.
Wenn wir es mit unserem Glauben ernst meinen, dann hat es konkrete Konsequenzen auch für das Leben in dieser Welt. Für jeden sollte der Grundsatz gelten, daß die Würde der menschlichen Person das Fundament für eine gemeinschaftliche, solidarische und friedliche Gesellschaft ist. Dann gibt es gegenseitige Achtung aller Menschen, denn die menschliche Würde ist unteilbar: für alle Menschen, für Inländer und Ausländer, Nordländer und Südländer. Dann sterben Menschen nicht einsam. Das bedeutet, daß der christliche Glaube in unserer christlichen Gesellschaft nicht nur schöne Worte, nicht nur leere Bezeichnung und Theorie bleiben darf; sondern er muß konsequentes Handeln, tätige Liebe werden. „Hört das Wort nicht nur an, sondern handelt danach; sonst betrügt ihr euch selbst." (Jak 1,22)
Der Autor ist
Professor für orthodoxe Theologe ander Universität Graz,
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